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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0228

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in der k. Pinakothek nicht vorkomme. Es war sonach der
Grund des Trübwerdens und Verderbens nur mehr in
chemischen oder physikalischen Veränderungen der Ober-
fläche zu suchen, welche sich besonders stark in der Schleiß-
heimer Galerie zeigen. Prof. Di-. Pettenkofer gelang es
nun, den wesentlichen Grund des Alterns und der fort-
schreitenden Zerstörung der Oelgemälde zu entdecken. Er
setzte seine Ansicht auch vor der bezeichneten Kommission und
der k. Akademie auf das Ueberzeugendste auseinander, in-
dem er sie durch eine Reihe von Experimenten erläuterte,
die sich nickt blos aus alte Bilder beschränkte, sondern
auch auf neue ausdehnte, welchen er im Zeitraum von
wenigen Tagen das Ansehen gab, als wären sie den Ein-
siüssen von Jahrhunderten unterworfen gewesen. Was
aber für die Kunst von höchster Bedeutung erscheint, das
ist, daß Prof. Di-, Pettenkofer auch die geeigneten Mittel
gefunden hat, dieses Berderbniß in kürzester Zeit vollkommen
wieder zu beseitigen. So unterstellte derselbe ein Bild
von Benno Adam aus dem Jahre 1830 seiner Behand-
lung. Es ist das lebensgroße Brustbild eines Fanghundes.
Indem er die Brust des Thieres unverändert ließ, Len Kopf
alt machte und dann die Hälfte desselben wieder regenerirte,
machte er die Ergebnisse und Vortheile seines Verfahrens in
der überraschendsten Weise anschaulich. Die Brust erschien
aber wie ein gutkonservirtes Bild dreißig Jahre nack sei-
ner Entstehung auszusehen pflegt, der alt gemachte und
so belassene Theil des Kopfes scheint ein paar hundert
Jahre in einer Galerie gehängt zu haben, der regenerirte
Theil aber macht den Eindruck, als wäre der Künstler-
eben erst mit Pinsel und Palette bei Seite getreten. —
Von einer aus dem Magazin zu Schleißhenn (woselbst Bilder
aufbcwahrt werden, welche von allen Restauratoren auf-
gegeben worden) genommenen bemalten Holztafel, welche nur
mit Mühe soviel erkennen ließ, daß das Bild eine Land-
schaft dargestellt, regenerirte Pettenkofer den mittle-
ren Theil und es zeigt sich nun im frischesten Farben-
glanze, Wasser, Wald und ein Haus bei Sonnenunter-
gang. An den beiden nicht regenerirten Theilen des Bil-
des nahm er andre Experimente vor: er nahm Hür-
den alten Firniß ab und trug dafür frischen auf, dort
firnißte er blos den alten Grund neu. Dadurch gewann
er die augenscheinlichsten Abstufungen der Brauchbarkeit
dieser drei Methoden in absteigender Reihenfolge. — Aus
einem total aufgegebenem Bilde von Dorner aus dem
vorigen Jahrhundert, eine Lautenspielerin darstellend, das
in vielen Theilen geradezu unkenntlich geworden, in an-
dern durch graue, rauhe, dicke Flecken' verunstaltet war,
machte Pettenkofer ein Bild von leuchtender Farbe. Wie
arg die Berderbniß gewesen, läßt sich daraus schließen,
daß da ein Junge mit blondem Haar hervortritt, wo man
bis jetzt einen Neger vermuthet hatte. — Ein sehr werth-
voller van de Velde in der Pinakothek erschien in einigen
Partien des landschaftlichen Theils sehr bedeutend beschä-
digt. Selbst Pettenkofer war der Ansicht, daß eine Ver-
änderung einzelner Farben eingetreten sei, so daß etwa
in dem aus Gelb und Blau gemischten Grün das Gelb
allmählig verschwunden wäre. Dem Verfahren unterstellt,
zeigte das 33ifb alsbald wieder das saftigste Grün da,
wo zuvor nur eine trübe blau-graue Mißfarbe erschienen
war. — Selbst an einem solchen Bilde, an welchem die
Oberfläche nicht blos optisch, sondern dazu auch noch che-
misch alterirt worden war, erwies sich Pettenkofers Ver-
fahren in hohem Grade brauchbar.

Aber auch damit war Pettenkofer noch nicht zufrie-
den. Er wies an mehreren, erst wenige Jahre alten Bil-
dern auf das Ueberraschendste nach, das schon wenige Jahre
genügen, um einem Bilde Eintrag zu thun. Er regenerirte
unter anderen ein Bild, welches Rhomberg im Jahre
1844 gemalt und das bisher als trefflich erhalten gegol-
ten hatte, er unterstellte es jedoch der Operation nur stel-
lenweise, und siehe da, die regenerirten und nicht regene-
rirten Theile passen nun gar nicht mehr zusammen, so

stark hatte das Bild inzwischen schon gelitten, ohne daß
man es merkte.

Angesichts dieser Erfolge Pettenkofer's darf man wohl
die Hoffnung aussprecken, daß man künftighin mit den
sogenannten Restaurationen werthvoller Gemälde iu Ga-
lerien etwas sparsamer sein werde, die schließlich mit Ueber-
malungen durch mehr oder minder geschickte oder unge-
schickte Hände zu enden pflegen und deshalb ganz dazu
angethan sind, die ersten Schätze der Sammlungen we-
sentlich zu alteriren und ihren Werth zu verringern. Pet-
tenkofer's Regenerationsmethode empfiehlt sich übrigens um
so mehr, als nach Liebig's sorgfältigen Untersuchungen durch
deren Anwendung den Bildern nicht der mindeste Nachtheil
zugeht, da sie nur die optischen Mängel beseitigt. Ueber-
dies hat er dargethan, daß eine von ihm regenerirte Bild-
fläche beim Aeltermacken diesem letzteren Prozesse viel län-
ger und nackhaltiger widerstand, weil sie weit weniger
empfindlich für die bezüglichen Einflüsse geworden als eine
noch nicht regenerirte.

Pettenkofer hat vorerst für seine Erfindung ein Pri-
vilegium genommen. Möge sie recht bald Gemeingut aller
Betheiligten werden!

□ Düsseldorf, 10. Juli. (Permanente Ausstel-
lung.) Abermals ist ein älteres Bild ausgestellt, eine
Lessing'scke Landschaft, mit der ich mich aber gar nicht
befreunden kann. Die drei Hauptmassen, in welche das
Bild zerfällt, scheinen mir ganz und gar nicht im Zusam-
menhänge. Dabei erinnern zwei derselben in ihrem Auf-
treten so entschieden an's Theater, dLß ich glaube, diese
Landsckaft als das schwächste Erzengniß Lessing's erklären
zu müssen, welches ick je gesehen. — Von Röting ist das
„Porträt eines alten Herren" ausgestellt. Kinn und Mund
halte ich für ganz ausgezeichnet gelungen; sonst findet man
hier und da die bekannten, unnöthigen schwarzen Schatten,
die nur noch wenig Lokalton mehr durchblicken lassen. —
Nordenberg's „Norwegische Sennhütte" ist ein aller-
liebstes Bildchen von reizender Stimmung und Färbung,
die beiden Mädchenköpfe ausgenommen, die wohl etwas
manierirt gezeichnet und gefärbt waren. — Von Vautier-
find zwei Bilder zu nennen, beide gleich fein in Ton wie
Charakteristik. Das erste, „Dorfjugend im Schnee", zeigt
uns den pausbackigen ttzto-earrso-Jungen, den Schnee-
ballen verbergend, dabei seinen Zügen einen möglichst harm-
losen Ausdruck aufzwingend; an ihm vorüberschrcitcnd,
Mißtrauen, Angst und Bitte im Blick, das sein Schicksal
erwartende Mädchen. Ganz besonders vortrefflich ist der
Kopf des Jungen, so ein ächtcr Dorfschulze in spe. Das
zweite Bild, welches einen Maler in der Dorfschenke Stu-
dien zeichnend darstellt, gicbt uns eine Anzahl der pracht-
vollsten Bauernköpfe mit dem verschiedenartigsten Ansdruck.
Beide Motive sind gewiß nicht neu, beide sind dabei mit
möglichst wenig Aufwand von Figuren re. zur Darstellung
gebracht — und doch! welche Wirkung erzielen beide auf
den Beschauer! Wahrlich, es ist nicht nölhig, daß man,
wie so viele unsrer Genre- und Landschaftsmaler, auf die
Jagd nach unentdeckten Inseln und Gebirgen -ausgeht:
wenn diese Herren Zeit, Mühe und Geld auf die Ent-
deckung, Entwickelung ihres eigenen Innern verwenden
wollten, würden sie und die Kunst dabei besser fahren. —
Einen Belag dazu liefert sogleich ein Bild Karl Hübner's
„Tischgebet im Posthause", daö bei einer großen Anzahl
von Figuren und sonstigen Genrebild-Requisiten die Neu-
heit des Motiv's hauptsächlich durch eine vollständige Ver-
stimmung des Beschauers zur Geltung brachte. Eine
Bauernfamilie mit Knechten und Mägden, verrichtet vor
Beginn der Mahlzeit ihr Gebet und laßt sich dabei durch
die Anwesenheit eines blasirten süßen Jünglings nebst
junger Dame derart stören, daß nur zwei, ein Knecht und
eine Magd, vollständig bei der Sache sind, während sogar
der alte Bauer, nebenbei eine zwerghaft verzeichnete Figur,
seine Gesichtsmuskulatur auf eine geradezu widerliche Weise
 
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