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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0342

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mit allen seinen Unmöglichkeiten forderte. Rauch kam
mehrere Tage hintereinander, sah die Arbeit und ging,
ohne ein Wort zu sagen, weiter. Ich glaubte, große Zu-
friedenheit darin zu erkennen, und fuhr ermuthigt fort.
Endlich am dritten Tage fragte er mich nach einem Drahte,
den ich ihm erwartungsvoll, was er damit wolle, reichte.
Da schnitt er fast die Hälfte von der Höhe der Figur
herunter, die mir zu Füßen fiel, daß gleichsam nur ein
hoher Grundriß zurückblieb, und sagte: „Wie kann man
nur eine so infame Klempnerarbeit machen! Nur so hoch
darf es sein." Rauch legte den Draht hin und ging fort.
Mir kamen fast die Thränen in die Augen, ich war ganz
erschrocken, aus meinem Himmel gefallen. Berges tröstete
mich und lehrte mich das Rechte, und so kam nach und
nach die Figur zu Stande, mit welcher Rauch bisweilen
zufrieden schien. Nach Beendigung derselben rjeth er mir
als Pendant eine neue, einen Petrus, anzulegen. Er hat
sie später mit vielen andern Reliefs in seine Treppenflur
einmauern lassen, nicht weil sie gelungene Arbeiten waren,
sondern weil sie einen passenden Raum ausfüllten und
immerhin eine leere Wand schmücken halfen.

Aus Rauch's Benehmen konnte ich bald schließen, daß
er mir geneigt war- Ich mußte in dem Theile seiner
Werkstatt, wo er selbst arbeitete, modelliren; er fing oft
Gespräche mit mir an und bat mich, seine Kupferstiche und
Kupferwerke in Ordnung zu bringen und zu katalogisiren,
und wenn er etwas brauchte, es ihm zu holen. Er forderte
mich bisweilen auf, Abends zum ihm zu kommen, wo er
überaus freundlich und gesprächig war und der Unterschied
sehr fühlbar wurde zwischen der abgemessenen, kurzen und
rauhen Art, wie der geistig und praktisch viel beschäftigte
Mann sich bei der Arbeit zeigte.

Wie oft ging ich Abends von ihm fort, in der Ueber-
zeugung, er habe sich in seinem Wesen gegen mich geän-
dert, er sei viel offener, freundlicher, hingebender geworden;
allein der andere Morgen zeigte mir allemal, daß mit dem
Eintritt in die Werkstatt die Sorge und der Ernst der
Arbeit ihn still, in sich gekehrt, bei der geringsten Störung
oft unfreundlich, ja heftig machen konnte-

In jener Zeit — es war im Jahre 1827 — wollte
man in Dresden dem verstorbenen Könige Friedrich
August dem Gerechten ein Denkmal errichten und kamen
deshalb von Seiten des Comits, an dessen Spitze Prinz
Johann, der jetztregierendc König, stand, Anträge an
Rauch zur Ausführung. Dieser war viel beschäftigt und
sollte das Monument des Königs Max von Baiern bald
beginnen. Er hatte mich, als einen Sachsen, vorgeschla-
gen, von dem er viel Hoffnung hege, zumal wenn es mir
erlaubt werde, die Arbeit unter seiner — Rauch's —
Leitung auszuführen. Ich war erstaunt, erschrocken über
diese Empfehlung Rauch's, gerührt von seiner Güte,
Fürsorge und seinem Interesse für mich, gehoben auch

durch sein Vertrauen, welches doch einer Fähigkeit in
mir gewiß sein mußte, die seine Empfehlung rechtfertigen
würde. Ich erhielt wirklich den Auftrag und begann das
Skizzenmodell; dasselbe stellte den König sitzend dar in
Uniform, welche oben bedeckt war mit dem'Herlnelinpelze,
in der Hand einen Herrscherstab, den linken Arm und die
Hand auf dem Gesetzbuchc ruhend. Es wurde angenom-
men, doch blieb die Frage noch schwebend, da die Stände-
versammlung zu den freiwilligen Beiträgen den bedeutend-
sten Zuschuß geben und deren Versammlung erst abgewartet
werden mußte. Erst zwei Jahre später erhielt ich die
Entscheidung, wonach das Denkmal ausgeführt werden
sollte....

Von einer Erholungsreise nach Dresden zurückgekehrt,
half ich Rauch an verschiedenen Arbeiten, zuletzt an der
Skizze zu Dürer's Statue. Diese mußte zum dreihun-
dertjährigen Dürer - Jubiläum in Nürnberg fertig sein.
Rauch fragte mich, ob ich hinreiste. Lächelnd und ver-
wundert antwortete ich ihm, daß mir ein solcher Gedanke
nicht kommen könnte, da mir dazu alle Mittel fehlten. —
Ich hatte vom Minister von Einsiedel 200 Thaler jähr-
liche Unterstützung, wovon 40—50 Thaler für Ausgaben
zu meinen Studienarbeiten u. s. w. eingeschlossen waren. —
Rauch eröffnete mir hierauf, wie er wünsche, daß einer
seiner Schüler Hinreise, damit seine Werkstatt durch
denselben vertreten sei, und bot mir an, das Reisegeld
für mich zu bezahlen. Ueberglücklich machte mich die
Aussicht, das interessante Fest niitzufeicrn und meinen
Thäter dort wiederzusehen. Es lag überdies in diesem
Anerbieten Rauch's etwas sehr Ehrendes und mich Er-
muthigendes, da ich der jüngste Schüler war und einer
seiner ältern Schüler für sich und auf eigene Kosten
hinreiste.

Es waren unbeschreiblich schöne Tage, die ich in
Nürnberg verlebte, im innigsten Verkehr mit Thäter, ini
Anblick der herrlichen Reichsstadt und ihrer Kunstwerke.
Vor allem erhob mich die dort versammelte Künstler-
genossenschaft begeisterter und nach dem Höchsten der
Kunst aufstrebender Talente, an ihrer Spitze der ge-
waltige Meister Cornelius, mit ihm seine Schule in der
K au l b a ch, H er r m an n und der früh verstorbene E b e r l e
hervorragten. Der berühmte Schnorr, mein Landsmann,
hatte seine schöne junge Frau mit nach Nürnberg ge-
bracht; sein Name glänzte neben dem von Cornelius
oben an. Kaulbach's Erscheinung, sein in jugendlicher
Schöne blühendes feines und geistreiches Gesicht, seine
Tracht, konnte einem das Bild Raphacl's vergegenwärtigen.
Biele junge Talente, die sich später einen guten Namen
erworben haben, waren dabei; viele aber auch, die sich
in Wort und Gebaren hcrvorthateu und Aufmerksamkeit
erregten, sind verschollen, verkommen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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