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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Frank, Willy: Ein neues Grabmal von Hermann Obrist
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0176

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Ein neues Grabmal von Hermann Obrist.

Mir scheint in der Tat, als habe man
in diesem plastischen Riesenwerke die Krone
von Obrists gesamtem Schaffen zu erblicken,
und das mag auch der Grund dafür sein,
dass die Skepsis, die seinen bisherigen Ar-
beiten so oft entgegentrat, vor dieser Schöp-
fung gerne verstummt.

Sie qualifiziert sich als eine eigenartige
Verbindung von plastischen und architek-
tonischen Bestandteilen, die in ihrer Gegen-
sätzlichkeit sehr scharf und exakt charakte-
risiert sind. Beide sind fast durchgehends
horizontal getrennt: wo der Stein den Boden
berührt, kleidet er sich in strenge, stereo-
metrische Zweckformen mit rechtwinkligem
Abschnitt. Er hat hier nichts anderes zu
tun als zu tragen, und daher gebührt ihm
hier keine andere Gestalt als die architek-
tonische Form des Sockels. Unmittelbar
darüber aber beginnt ihn das plastische Leben
zu erfüllen. Grosse, kantige Linien bringen
die geduckte Rückenfläche (die Wetterseite)
in Bewegung und schicken Wellen aller Art
in weichen Modellierungen zur Bekrönung
hinauf, die kraftvoll vor der vorderen Höhe
Halt macht und alles energisch zusammen-
fasst. In wulstartigem Abschnitt rundet
sich die mächtige Schale ab und bringt so
die Bewegungen der Rückenfläche, die an
den Panzer einer Riesenschildkröte denken
lässt, zum Stillstand. Seitwärts senkt sich
dieser Wulst auf den Boden und begegnet
der architektonisch strengen Auflage, indem
er sie wie zerfliessender Brandungsschaum
umspielt. An diesen Stellen wie an den

zwei oberen vorspringenden Knoten (die von
rückwärts wohl motiviert sind) ist der Stein
nur roh behauen; es ist, als ob er hier seine
ungefüge Faust noch einmal drohend hervor-
strecke, um seine ganze Wildheit zu zeigen,
während er sich sonst überall der glättenden
Menschenhand gefügt hat. — In der Front
des Denkmals liegen zwei tiefe, schatten-
reiche Nischen, die, von der Seite gesehen,
vortreffliche, malerische Überschneidungen
liefern. In gefälligen Linien senkt sich der
Stein einrahmend um sie her, von oben her
zunächst noch plastisches Leben mitbringend,
und dann nach unten hin zu den recht-
winkligen Formen des Sockels erstarrend.
Aus dem Mittelstücke hervor lädt die schief
aufgestemmte Bronzeplatte aus, die die Schrift
und wenig sparsames Ornament trägt. Der
Eindruck des Ganzen ist ungemein pittoresk
und erinnert entfernt an die üppigen, vielfach
überschnittenen Formen des Barock.

Jedenfalls hat Obrist mit diesem aus-
geführten Werke bewiesen, dass seine Kunst
sich vorzüglich zur Bewältigung grosser
Massen, zur Gestaltung monumentaler Ge-
danken eignet. Es ist sehr die Frage, ob
ein rein architektonisches Gebilde mit so
einfachen Mitteln dieselbe wuchtige Wirkung
hätte hervorbringen können. Das Werk ver-
einigt plastische und architektonische Schön-
heit in ganz neuer Weise. Es ist in Muschel-
kalk aus Marktbreit ausgeführt. Die Stein-
arbeiten stammen von A. Aufleger und Bild-
hauer fos. Steiner, die Metallarbeiten von der
Firma Winhart & Cie. willy frank—München.

hermann
obrist.

grabmal.
rückseite.

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