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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Frank, Willy: Willi Geiger - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0237

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Willy Frank—München: Willi Geiger.

WILLI GEIGER—MÜNCHEN.

mit denen es das ästhetische Gefühl peinigt,
geht er nicht aus dem Wege; er sucht sie
geradezu auf, er nennt sie mit den härtesten
Namen; »voll Leides der Jugend«, wie ein
moderner Dichter schrieb, bietet er seine
Kräfte auf, um das Leben an Barbarei noch
zu übertreffen.

Es wäre kurzsichtig, den Grund für diese
schonungslose Herbheit der Geigerschen
Blätter etwa in einer natürlichen Zuneigung
seines Wesens zu all diesem Groben und
Barbarischen zu suchen. Der Kundige wird
in diesen Dingen lediglich die Äusserungen
jenes »Leides der Jugend« und individuellen
Schmerzes erblicken, der denn auch im Leben
des Künstlers nicht ausgeblieben ist. Nur
230

der Schmerz und eine ge-
steigerte Sensibilität ver-
mögen den Blick für die
Dissonanzen des Daseins
so zu schärfen, wie man
es in Geigers Kunst wahr-
nimmt. Und so stellt sich
denn heraus, dass auch bei
ihm die harten Worte, die
er dem Leben ins Gesicht
wirft, aus Trotz und Ab-
wehr, nicht aus Roheit
des Gefühls entspringen.
Dieser Entstehungsgrund
verleiht selbst seinen wüste-
sten Darstellungen ihre
lebenfördernde Kraft; sie
wirken wie ein Sturzbad
erfrischend und ernüch-
ternd, und gerade dadurch,
dass er diese dumpfen Dis-
harmonien so wacker »be-
schreit« , nimmt er ihnen
ein gut Teil ihrer Qual.
*

Geiger ist kein Schilde-
rer, sondern eine stark
phantastische und subjek-
tive Natur, die dem Leben
gerne gewisse knappe Ein-
drücke »literarischer« Qua-
lität abgewinnt. Eine stets
bereite, üppig wuchernde
Gestaltungskraft kommt
ihm bei der Notierung seiner Einfälle und
Ideen trefflich zu statten. Sehr oft sieht
er von der Natur gänzlich ab und schafft
dann Blätter, in denen verkrochene Ner-
vosismen, Stimmungen voll bärbeissigen
Humors und grimmiger Satire höchst präzis
zu Tage treten. Diese seltsame Weltironie,
die tief in Geigers Individualität begründet
ist, spielt in seinen Schöpfungen eine wich-
tige Rolle. Sie ist keine Satire, kein Witz,
kein Sarkasmus; sie stellt wahllos die aller-
verschiedensten Gegenstände in ihr grelles,
schonungsloses Licht. Sie bedeutet die
Kehrseite eines tiefen, verkrochenen Welt-
schmerzes, sie ist der wunderliche Ausdruck
eines zornigen Mitgefühls mit der jammer-

»Die Soubrette und das Nilpferd».
 
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