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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Singer, Hans Wolfgang: Emil Orlik - Wien: Otto Eckmanns Nachfolger in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0381

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Dr. Hans W. Singer: Emil Orlik — Wien.

Empfinden unsrer eigenen
Kultur zu einem harmo-
nischen Ganzen zu verbin-
den. Mir will es scheinen,
als sei dies Orlik mittler-
weile gelungen. Studien,
wie die Modell - Studie
(Seite 374), die nackte
Frau mit der Schale und
dem beblümten Mantel
(Seite 381), aber auch ein
Bild wie der Schloss-
brunnen zu Karlsbad (Seite
370), wären ihm vor seiner
Reise nach Japan nicht
möglich gewesen. — Sie
legen ein beredtes Zeugnis
von seinem »Japanertum«
ab. Aber wie anders, wie
viel reifer und ernster ist
dies Japanertum, als wie
das vieler anderer, z. B.
vieler Pariser Künstler.
Es beruht nicht auf Effekt-
hascherei ; nicht die äusser-
lichen Merkmale, deren
unmittelbare Nachahmung
uns stets als eine Art Tric
erscheinen wird, finden
sich hier vor. Es wird
vielmehr eine Art Kunst-
Anschauung, ein eigentüm-
liches Empfinden an der Hand von uns im
übrigen geläufigen Vorwürfen entfaltet, das
einen besonderen, vornehm-pikanten Reiz aus-
übt. Wir werden an den Hellseher Whistler
gemahnt, der ja selbst nie nach Japan ge-
kommen ist. Bei ihm herrscht ein, im edelsten
Sinne, noch weiblicheres Gefühlsleben vor:
hier ist es männlicher, tatenfreudiger.

Die beigegebenen Abbildungen fügen
sich ganz gut zu einer kurzen Geschichte
der verschiedenen Epochen Orlikscher Kunst
zusammen. Die »Schneider-Werkstatt«, ein
Farbenholzschnitt, entstand in Prag vor der
Reise nach Japan. Schon da sehen wir die
dortige Kühnheit der Vereinfachung: alle
mannigfaltigen, endlosen Abstufungen von
Licht und Farbe in der Natur sind auf vier
glatte Töne herabgestimmt. Das Weiss der

EMIL ORLIK—WIEN.

Studie.

Hemden und Papiere, das Schwarz der Stoffe;
dazwischen der eine neutrale Ton für Wand,
Boden, Carnat und Westenrücken, der andere
Mittelton für die gemusterten Stoffe.

Dann kommen Bilder wie der »Wind-
stoss«, der im Original kaum von einem
echten japanischen Holzschnitt zu unter-
scheiden ist, und die dekorativen Malereien,
von denen der Wasserfall, man möchte fast
sagen, wie eine direkte Kopie nach einem
Blatt aus Hokusais berühmter Folge aussieht.

Zuletzt kommen die schon obengenannten
Bilder, in denen der japanische Einfluss nicht
mehr als Herrscher über das Werk, sondern
als Diener einer neuartigen Stimmung auf-
tritt. Das Monumentale in der Modellierung
der Frau mit der Schale, das zwar tausend
Zufälligkeiten der Oberfläche übergeht, dafür

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