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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Habich, Georg: Ernst Riegel - München
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ERNST RIEGEL-MÜNCHEN.

Ernst Riegel ist dem Münchner Publi-
, kum längst kein Fremder mehr. Selten
betritt man die Räume des dortigen Kunst-
gewerbe-Vereins, ohne sich an einem neuen
Produkt seiner unversieglichen, dabei vor-
nehm gezügelten Phantasie zu erfreuen. Fast
zu vornehm, apart und köstlich für den Ge-
brauch, ja selbst für den täglichen Anblick
sind diese Gegenstände, und angesichts seiner
graziösen Pokale und
edeln Schalen möchte
man die Zeiten zurück-
wünschen, wo kein Fest,
keine öffentliche Feier,
kirchlichen oder poli-
tischen Inhalts, aber auch
kein intimes Familien-
fest vorübergehen durfte,
ohne dass aus Truhen
und Kästen das silberne
und goldene Festgerät
hervorgeholt, von den
umhüllenden Seiden-
tüchern befreit wurde,
um auf Tafeln und An-
richte den Glanz des
Hauses zu erhöhen.
Wie gering ist in un-
serer Zeit der sogen,
ästhetischen Kultur, die
leider auch die Zeit der
imitierten Materiale, der
imitierten Stilformen ist,
noch die Nachfrage nach
Ziergerät von edlem
Metall in edlen Formen.
»Was macht man da-
mit?« — diese ratio-
nalistische Frage des
praktischen Käufers
wirkt lähmend auf eine

freie, phantasievolle Betätigung der schaffen-
den Kräfte. Wie hätte mit solchen Maximen
der Kurfürst von Brandenburg seine Haupt-
stadt Berlin im 16. Jahrhundert zu einer
»Stadt von Goldschmieden« machen können,
und was hätte der prachtliebende Bayern-
herzog den zahlreichen Mitgliedern der
Münchner Zunft zu tun gegeben, wäre nicht
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E. RIEGEL—MÜNCHEN.

die fürstliche Schatzkammer sozusagen Selbst-
zweck gewesen. Mit Staunen lesen wir in
alten Chroniken, wie bei der Ausplünderung
Augsburgs durch die Schweden der Fuss-
Doden des grossen Rathaussaales völlig be-
deckt war von silbernem Gerät, und wie die
schwedischen Reiter mit schweren Kanonen-
stiefeln in all dieser Pracht und Zier herum-
gestapft seien, gleich Winzern in der Kelter.

.Das Herz blutet einem
schier bei dieser Vorstel-
lung. Dennoch, wie viel
Herrliches ist trotz Krieg
und Brand aus dieser
Zeit übrig geblieben,
das uns mit Neid er-
füllen muss, mit Neid
um die darin sich offen-
barende Höhe und Ein-
heitlichkeit der Kultur.

— Einheitlich — das ist
der springende Punkt

— war diese Kultur,
obwohl die Standes-
Unterschiede viel weiter
klafften als heute, die
höfische, die kirchliche
und die bürgerliche
Klasse viel strenger
geschieden waren. Von
einem höfischen Stil
kann ja heutzutage
kaum mehr die Rede
sein, am wenigsten von
einem modernen. In
den seltenen Fällen, wo
die höchste Aristokratie
in einem selbständigen
Sinne Auftrag gibt, be-
gnügt man sich, mit ar-
chaischen Formen —

romanischen Anwand-
— und heraldischen
auf die alte Tradition
Eine Maskerade also.

Silberner Pokal.

man denke an die
lungen in Berlin
Schmuckmotiven, die
des Hauses hinweisen.

Das Bürgertum, soweit es überhaupt kauf-
kräftig ist, kapriziert sich darauf, von Allem
das Neueste zu haben. Neu, um jeden Preis,
alles, nur nicht »vieux jeu«. Der Ge-
 
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