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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912

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Michel, Wilhelm: Münchner Frühjahrs-Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.7108#0106

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MÜNCHNER FRÜHJAHRS-SECESSION.

Neuer Geist, neues Leben! Wirklich, man
atmet auf. Die Langeweile der letzten
Secessions-Ausstellungen war erdrückend: Wie
sehr, das gibt erst diese neue Schau zu fühlen,
die man, durch Erfahrung gewitzigt, mit süß-
säuerlichem Gemüte betritt, die man aber ver-
läßt mit der Empfindung, von irgend etwas
Jungem, Lenzlichem berührt worden zu sein.

Die neuen subjektivistischen Formeln, die
erfrischend, verwirrend, befruchtend in die Ge-
müter unserer jungen Maler fielen, haben tüchtig
gewirkt. Kein Zweifel, daß sie es sind, denen
der etwas kunterbunte, aber, wie gesagt, fröh-
liche und lebhafte Eindruck der Ausstellung zu
danken ist. An einzelnen Beispielen wird das
besonders klar. Da ist Julius Seyler, der in
den letzten Jahren, wohl aus einem gewissen
Gegensatze gegen die uniforme, unerlebte Far-

bigkeit der Zügelschule, immer tiefer in eine
finstere, lichtlose, asketische Tonskala geraten
war. Eine Reise nach Norwegen und die er-
lösende subjektivistische Formel haben bei ihm
Wunder gewirkt. In der Secession ist er, der
sich bisher mit impressionistischen Naturaus-
schnitten in morosem, ewigem Grau abplagte,
nun mit nervig erfaßten und rücksichtslos poin-
tierten Natureindrücken zu Gaste, die von der
neuerlich vindizierten Freiheit der Mittel den
höchsten Gewinn gezogen haben. Der Über-
gang hat sich bei ihm in der denkbar schroff-
sten Form vollzogen. Es ist, als sei ihm eine
Binde vom Auge gefallen. Irgend ein Vorurteil
von Ton, irgend eine Hypochondrie, eine kolo-
ristische Zwangsvorstellung ist unter der gün-
stigen westlichen Suggestion geschwunden, und
eine neue Welt hat sich ihm enthüllt. Nor-

1912. VIII. 2.

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