Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (68.1931)

Der Deutsche Künstlerbund in Essen

JOSEF SCHARL—MÜNCHEN GEMÄLDE »WARTENDE«

in den Jahren nach der Staatsumwälzung, wie- Melodieführung, ist nunmehr vollkommen durch-
der zu einer Bewegung im engeren Kreise zu- gedrungen. Das Streben, die Wirklichkeit „ab-
rückgekehrt, die immer nur einen Teilausschnitt zubilden", um mit Wiehert zu reden, existiert
geben kann und die Erkenntnis dessen, was in der früheren Art nicht mehr, es ist vielmehr
vor sich geht, verschleiert. nur noch in der alten Generation oder in Nie-
Was geht vor sich? Zwei Strömungen fließen derungen vorhanden, die für eine Beurteilung
vor unseren Augen dahin, die sich mitunter be- des Kunstschaffens von heute nicht in Betracht
rühren und ihre Wasser durcheinanderspülen, kommen. Was vorrückte, ist die leidenschaftliche
doch dann wieder trennen — obschon sie der- Sehnsucht, von dem, was hinter der Realität
selben Quelle entstammen. Diese Quelle ist die liegt oder sich geheimnisvoll in ihrem Kern ver-
von Grund auf gewandelte Umgestaltung der steckt, gleichnishaft Kunde zu geben. Das ge-
malerischen Weltdeutung. Die Abkehr vom schieht auf zwiefache Weise. Einmal indem man
gesamten Verlauf der Kunstbetätigung bis zur jene Rätsel in ihren außerhalb der optischen
Hochblüte des Impressionismus, die anfänglich Erfahrung liegenden, metaphysischen, nur visio-
und noch jahrzehntelang systemlos und sprung- när zu erfassenden, beseligenden oder unheim-
haft einsetzte, in einer gleichsam fugenartigen liehen Schlupfwinkeln aufsucht, hervorzieht und