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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0100

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Das ehemalige Dorf wird erstmals im Zusam-
menhang mit der um 983 erfolgten Grenzver-
legung zwischen den Bistümern Hildesheim
und Minden urkundlich erwähnt. Bis zur Mitte
des 19. Jh. war Döhren ein typisches Haufen-
dorf, dessen Höfe sich entlang der alten Land-
straße von Hannover nach Hildesheim (heute
Landwehrstraße und Wiehbergstraße) und
der westlich davon verlaufenden Straße Am
Lindenhof orientierten. In der Dorfmitte, dem
Brink, zweigte in westlicher Richtung der Weg
nach Hemmingen ab, nach Osten, etwas
nördlich versetzt, die heutige Abelmannstra-
ße, die zur 1810 angelegten Hildesheimer
Straße führte.
Die alte bäuerliche Architektur dieses Dorf-
zentrums ist heute vollständig durch Neubau-
ten der Nachkriegszeit, die teilweise den Maß-
stab der Umgebung sprengen, ersetzt. Als
letzte Zeugen verdeutlichen heute lediglich
die Kirche, das Pfarrhaus und die Schule den
ehemaligen Dorfkern.
1320 wurde erstmals eine Kirche in Döhren er-
wähnt, die dem Heiligen Petrus geweiht war.
Dieser älteste Kirchenbau wurde wahrschein-
lich zur Zeit der Ablösung von der damaligen
Mutterkirche in Kirchrode um die Mitte des 14.

Jh. durch einen Neubau ersetzt. Aus dieser
Zeit stammt wohl auch der heutige Turm. Der
in Bruchsteinen mit Eckquadern ausgeführte
Bau erhebt sich auf einem mit Hohlkehle ver-
sehenen Sockel. Ein Kaffgesims umfaßt den
Turm in Höhe des ersten Geschosses. Weit-
hin sichtbar, somit als Orientierungspunkt und
Merkzeichen von hoher städtebaulicher Be-
deutung, wird der Bau durch den 1913 neu
aufgesetzten spitzen Pyramidhelm in Schie-
ferdeckung. Das Kirchenschiff, ein Bau von
1710, wurde bei einem Bombenangriff im
Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört und
1949 durch einen Neubau von Prof. Bartning
ersetzt. Am Chor wurde eine Grabplatte aus
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die einen
knieenden Krieger darstellt, eingesetzt, die
neben drei weiteren Epitaphen am Turm noch
vom alten Kirchhof stammen dürfte. Ein Denk-
mal auf dem freien Platz nördlich der Kirche
erinnert an Friedrich August von Geyso, dem
1787 verstorbenen Generalmajor des Celle-
schen und Diepholzschen Landregiments.

seinen, zum Teil aus aufwendigen Formstei-
nen hergestellten gotisierenden Stilelemen-
ten noch in der Tradition der Hannoverschen
Schule. Durch Versatz und Anfügen von ein-
zelnen Räumen im Grundriß wurde der kubi-
sche Baukörper aufgelöst und erhielt eine pla-
stische Durchbildung. Ein pfannengedecktes
Walmdach schließt den Bau ab.
Der Kreuzungsbereich Am Lindenhofe/Brück-
straße wird an der Südostecke beherrscht
durch die 1883 errichtete Schule. Der U-förmi-
ge Backsteinbau ist an der zur Kreuzung aus-
gerichteten Ecke über drei Achsen abge-
schrägt und so besonders deutlich auf den
ehemaligen Ortsmittelpunkt orientiert. Umlau-
fende Traut- und Geschoßgesimse aus Zier-
ziegeln verstärken optisch die Wirkung des
breitgelagerten Baukörpers.
Das einzige und vermutlich älteste erhaltene
bäuerliche Wohngebäude des alten Dorfes
liegt an der Reichhelmstraße 5. Die Situation
dieses Wohnhauses einer ehemaligen größe-
ren Hofanlage wurde durch die Anlage der
Reichhelmstraße verändert: Die ursprüngli-
che Orientierung des um 1800 erbauten
Wohnhauses war giebelständig zur Straße
Am Lindenhofe. Heute ist die elfachsige Nord-
seite des Fachwerkbaus die Hauptfassade,
die zum vorgelagerten Garten ausgerichtet
ist. Ein mittiger, aus gußeisernen Stützen und
filigran gestalteten Bindern kontruierter Ve-
randavorbau stellt die Verbindung zwischen
Architektur und Garten her. Der hervorragen-
de Zustand des Gebäudes, einschließlich der
erhaltenen Sprossenfenster, gibt dem Bau ne-
ben der wichtigen historischen Bedeutung sei-
nen besonderen Rang innerhalb der Dohrener
Architektur.
DOHRENER WOLLKÄMMEREI
Den Beginn der großen Veränderung des Dor-
fes Döhren brachte im Jahre 1868 die Grün-

Westlich der Kirche, Am Lindenhofe 18, wurde
im Jahre 1896 ein neues Pfarrhaus gebaut.
Der zweigeschossige Backsteinbau steht mit

Am Lindenhofe 16,18, Kirche, Pfarrhaus


Am Lindenhofe 14, Schule, 1883


Reichhelmstraße 5, Wohnhaus, um 1800 Am Uhrturm 2, ehern. Verwaltungsbau, um 1909


düng einer privaten Wollwäscherei, die 1872
als Wollwäscherei und Kämmerei in eine Ak-
tiengesellschaft umgewandelt wurde. Das
Gelände um die ehemalige Wassermühle an
der Leineinsel (seit 1402 urkundlich erwähnt)
war Ausgangspunkt für diese industrielle Ent-
wicklung. Entscheidend für die Ansiedlung der
Fabrik, der ersten ihrer Art in Deutschland,
war neben der vorhandenen Wasserkraft der
Leine, die durch das 1667 von Johann Duve
erbaute Wehr noch gesteigert worden war,
auch die günstige Lage zum Bahnhof Wülfel.
Das Werk wuchs in den folgenden Jahrzehn-
ten zu einer international bedeutenden Firma
heran, die bis zum Ersten Weltkrieg bereits
zweitausend Arbeiter beschäftigte (1874 -
100). Zu dieser Zeit war auch flächenmäßig ei-
ne große Expansion erfolgt: Bebaut war die
gesamte Leineinsel, der Bereich zwischen
Frobösestraße, Am Lindenhofe und Wieh-
bergpark sowie ein Teil der ehemaligen Feld-
mark westlich der Insel. Nachdem in den
zwanziger und dreißiger Jahren ein Höhe-
punkt der Entwicklung erreicht war, begann
mit dem Zweiten Weltkrieg der stetige Abstieg
der Firma, die schließlich 1973 stillgelegt wur-
de. Die „Neue Heimat“ begann als Erwerber
des Geländes bereits kurz danach mit dem
fast vollständigen Abbruch der Bausubstanz.
Sie führte in den Folgejahren bis heute ein

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