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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0102

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Vorderfront, während das Obergeschoß durch
ein seitlich angebautes Treppenhaus erreicht
wird. Die zugehörigen Keller bzw. der Dach-
boden waren über interne Treppen mit den je-
weiligen Wohnungen verbunden. Die äußere
Gestaltung der Häuser war durch Ziegelzier-
setzungen im Bereich der Gesimse und Ort-
gänge bereits ein wenig anspruchsvoller ge-
worden.
Die weitere Planung sah vor, die Werrastraße
als Durchgangsstraße bis zur Hildesheimer
Straße zu verlängern und davon kleine Stich-
straßen nach Norden und Süden anzuhän-
gen. Ausgehend von dieser Planung begann
man zwischen 1886 und 1890 mit dem Bau
weiterer Häuser an der Weserstraße, Ems-
straße und Allerstraße.
Zunächst entstanden an der Weserstraße 10/
12 und 14/16 zwei Doppelhäuser, die im
Grundriß den Gebäuden Werrastraße 1,2,14,
16 entsprechen. Die Backsteinhäuser waren
jedoch traufständig ausgerichtet und besaßen
ursprünglich ein nicht ausbaufähiges, sehr
flach geneigtes Satteldach. Im Rahmen der
kürzlich durchgeführten Modernisierung der
Siedlung erhielten beide Häuser ausgebaute
Satteldächer. Zu erwähnen sind die noch vor-
handenen alten Stallgebäude aller Häuser.
1888 wurde an der Weserstraße 6/8 und Ems-
straße 5/7 ein weiterer neuer Gebäudetyp er-
stellt: eingeschossige Doppelhäuser in Back-
stein mit einem ausgebauten Drempelge-
schoß. Die Erschließung erfolgt bei jedem Ein-
zelhaus seitlich in der Vorderfront.
Ähnliche Bauten entstehen etwa zeitgleich an
der Emsstraße 6/8 und Allerstraße 5/7, die al-
lerdings kein Drempelgeschoß besitzen.
Die südlichsten Gebäude an der Weserstraße
(Nr. 2/4), Emsstraße (Nr. 1/3, 2/4) und Aller-
straße (Nr. 1/3), ebenfalls am Ende der achtzi-
ger Jahre erbaut, sind zweigeschossige Dop-
pelhäuser in Backstein, die durch ein mittiges
risalitartig vorgelegtes Treppenhaus für beide
Einzelhäuser betont sind. Lisenen verstärken
die vertikale Gliederung der Bauten. Mittig an
der Rückseite lagen ursprünglich Stall und Ab-
ort für jede Wohnung.
Anfang der neunziger Jahre wurde die ur-
sprüngliche Planungsidee der durchgehen-
den Werrastraße aufgegeben und begonnen,
die heute vorhandene Lösung mit der nördlich
versetzten Rheinstraße auszuführen. Es ent-
stand zunächst 1893 direkt auf der alten Tras-
se und an der Allerstraße (Emsstraße 9/11,
10/12; Allerstraße 2/4, 6/8, 10/12, 9/11) ein
weiterer neuer Gebäudetyp, der von der Er-
schließung und Gestaltung dem zuvor be-
schriebenen (Weserstraße 2/4, ff.) gleicht. Die
Anordnung von drei hintereinanderliegenden
Räumen, der mittige mit Belichtung von der
Gebäudeseite, läßt erstmals größere Woh-
nungen entstehen (drei Zimmer mit Küche), in
die die Toiletten integriert sind.
Der gleiche Typus entsteht in den Jahren
1900 und 1901 östlich der bestehenden Be-
bauung an der Werrastraße (Nr. 17/19, 21/23,
25, 16/18, 20/22) und Weserstraße (Nr. 1/3),
ist hier jedoch schon durch Ziegelziersetzun-
gen an Gesimsen, Ortgängen und Brüstungs-
feldern sowie hölzernen Zierkonstruktionen
an den Giebeln wesentlich aufwendiger ge-
staltet. Eine Abwandlung erfährt der Typus
durch zusätzliche Erschließung der Erdge-

als Doppelhäuser konzipiert, wobei die Er-
schließung über den mittigen Eingang erfolgte
(Werrastraße 7-13, 6-12). Die drei Einzel-
häuser, Nr. 3, 5 und 4, sind jeweils um eine
Achse verkürzt und haben außermittige bzw.
seitliche Eingänge. Die heute hinter den Häu-
sern gelegenen Gärten waren zur Anfangszeit
noch nicht vorhanden; das Grundstück endete
unmittelbar an der Gebäuderückseite. Kleine-
re Gärten mit Stall und Abort lagen zusam-
mengefaßt im Osten der Wohnanlage. Erst
1884 wurden die Parzellen der heutigen Gär-
ten angekauft und zum Zwecke der Selbstver-
sorgung von den Bewohnern genutzt. Gleich-
zeitig entstanden rückwärtige Eingänge. Die
Anlage der Vorgärten erfolgte erst um die
Jahrhundertwende.
Entsprechend der Expansion der Fabrik und
den damit verbundenen Bedarf an Arbeits-
kräften erfolgte in den anschließenden Jahr-
zehnten eine stetige Erweiterung der Sied-
lung. So wurden zunächst 1886 beide trauf-
ständigen Reihenhauszeilen mit vier giebel-
ständigen Kopfbauten versehen (Werrastraße
1,2,14,15). Bei den zweigeschossigen Back-
steinbauten erfolgt die Erschließung der Erd-
geschoßwohnung durch eine mittige Tür in der

Weserstraße 6/8, Doppelwohnhaus, 1888

den Frühling (Flora) und den Herbst (Deme-
ter) darstellen. Trotz der Veränderungen er-
zielt das hinter einem Vorgarten mit schmie-
deeisernem Zaun gelegene Haus in der mit
ansonsten bescheidenen Gebäuden bebau-
ten Umgebung die gewollt imponierende Wir-
kung.
Der Beginn der Anlage der Arbeitersiedlung,
die in ihrer jetzigen Ausdehnung die Straßen
Werrastraße, Weserstraße, Emsstraße, Aller-
straße und Rheinstraße umfaßt, erfolgte 1869
auf einem schmalen Grundstück östlich der
Richartzstraße, das die Wollkämmerei kurz
zuvor erworben hatte. Zu beiden Seiten der
Werrastraße entstanden elf kleine Reihen-
häuser, „deren Räumlichkeiten so bemessen
sind, daß jede Familie sechs bis acht Arbeite-
rinnen als Aftermieter aufnehmen kann“. In
der Praxis bedeutete dies, daß eine Familie
mit durchschnittlich fünf Personen im Erdge-
schoß der eingeschossigen Backsteinhäuser
über eine Wohnküche und eine Kammer mit
insgesamt 28 m2 verfügte, während im Dach-
geschoß sieben Arbeiterinnen in zwei weite-
ren Kammern untergebracht werden konnten.
Bis auf zwei Ausnahmen waren alle Bauten

Werrastraße 17-23, Doppelwohnhäuser, 1900/01

Werrastraße 1,3ff., Wohnhäuser, 1886/1869

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