„NEU-LINDEN“
Parallel zur Von-Alten-Allee verläuft die We-
berstraße, an der die Grafen von Platen im er-
sten Jahrzehnt des 18. Jh. Parzellen zur An-
siedlung von Handwerkern (vor allem Weber)
abstecken ließen. Die Besitzer mußten den
Bau selbst bezahlen, sie genossen den gräfli-
chen Schutz und Steuerbefreiung, waren der
Familie von Platen jedoch dienstverpflichtet
und von ihr in besonderer Weise abhängig.
Losgelöst von der Entwicklung im alten Dorf
entstand derart auf gräflichem Grund und Bo-
den die Siedlung Neu-Linden, zu der außer-
dem einige Wohnhäuser in der Nähe des
Bergwarenspeichers an der Blumenauer Stra-
ße gehörten. Die Bewohner zählten zur Guts-
kapelle; im Laufe des 18. Jh. erhielten sie eine
Schule (Grundstück Weberstraße 23, 1796-
1847; Neubau der Schule 1847 durch Maurer-
meister Gersting, Posthornstraße 8) und
einen eigenen Friedhof (s.o. Badenstedter-/
Ecke Kirchstraße); sie organisierten ihre eige-
ne Armenkasse usw. 1856 wurden die beiden
Gemeinden Alt- und Neu-Linden vereinigt.
So entstanden kleine einstöckige Fachwerk-
häuser in der Weberstraße; die meisten wur-
den später - z.T. schon im 18. Jh. - aufge-
stockt. Diese Siedlungsschicht repräsentieren
Nr. 20 und 21, gleichzeitig die ältesten Wohn-
häuser in Linden. Trotz des Verlustes des
Schlosses kann man sich das absolutistische
Gefälle zwischen der gräflichen Architektur
und diesen bescheidenen Handwerkerhäu-
sern vorstellen, das Ausdruck des sozialen
Gefüges und der Abhängigkeitsverhältnisse
war.
WEBERSTRASSE/POSTHORNSTRASSE
Während die Besiedlung des ehemals gräfli-
chen Geländes nördlich der Parzellen an der
Weberstraße direkt nach der Verkoppelung
einsetzte, blieben die Verhältnisse in dem
südlich anschließenden Flächendreieck (We-
ber-, Posthorn-, Deisterstraße) unverändert.
Bis in die siebziger Jahre des 19. Jh. be-
schränkte sich die Bebauung auf die „Weber-
häuser“ und den auf der südlichen Spitze lie-
genden Posthof mit Gasthaus zum Posthorn.
Etwa gleichzeitig mit der Anlage der Godehar-
di- und Kaplanstraße griff die Bauentwicklung,
die besonders östlich der Deisterstraße und
zwischen Weberstraße/Von-Alten-Allee
schon weit fortgeschritten war, auf dieses Flä-
chendreieck über. Es entstand um 1872 als ei-
ner der ersten Neubauten auf spitzwinkligem
Grundstück das Wohn- und Geschäftshaus
Deisterstraße 74, das mit seiner sparsam ge-
gliederten zweifarbigen Ziegelfassade und
der turmartigen Erhöhung über der Ecke ent-
scheidend die Straßengabelung Posthorn-/
Deisterstraße prägt.
St. Godehardkirche
1875 waren bereits die Kaplanstraße und die
südliche Westseite der Posthornstraße bis zur
Godehardkirche bebaut. Städtebauliche Do-
minante in diesem Bereich, in dem sich vor-
wiegend zweigeschossige Gebäude und die
kleinen Weberhäuschen fanden, wurde die
1873-74 nach Plänen von Chr. Hehl(vgl. Dei-
sterstraße 19, St. Bennokirche) errichtete ka-
tholische Pfarrkirche St. Godehard (Posthorn-
straße 23). Es handelt sich um den ersten Sa-
kralbau Hehls und - nach St. Clemens (vgl.
Hannover Teil I, Calenberger Neustadt) - um
das zweite nachreformatorische katholische
Gotteshaus im Raum Hannover. Der Zuzug
katholischer Arbeiterbevölkerung hatte die
Gründung einer Gemeinde notwendig ge-
macht. Zu dem katholischen Zentrum gehör-
ten Pfarrhaus (stark verändert) und Schule
(verschwunden).
Wie später bei dem Bau von St. Benno spiel-
ten die geringen finanziellen Mittel der Ge-
meinde eine gewisse Rolle für die Gestaltung.
Hehl entwarf eine dreischiffige Staffelhalle un-
ter einheitlichem Satteldach mit polygonalem
Westchor und querhausartigem Ostriegel mit
übergiebelter Eingangshalle an der Posthorn-
straße. Über dem Kreuzungspunkt der Dächer
erhob sich ein achteckiger Dachreiter. Das
Material ist Backstein, die Kreuzrippengewöl-
be des Innern bestanden aus Holz. Durch
Bombenschäden von 1943 gingen die Gewöl-
be und der Dachreiter verloren; der Wieder-
aufbau veränderte das Innere, wählte einen
etwas plumpen vierseitigen Dachreiter und
setzte an Stelle des Hauptportals eine Kapel-
le. Erhalten blieben die gotisierenden Außen-
Von-Alten-Allee 6, Villa Buresch, 1859/60
Deisterstraße 74, Wohn- und
Geschäftshaus, um 1872
Weberstraße 21,20, ehern. „Weberhäuser“
mauern mit schlanken gestuften Strebepfei-
lern und spitzbogigen Fenstern.
Ursprünglich beherrschte der Bau die Nach-
barschaft aus kleinen Häuschen, die durch
mehrgeschossige Wohnbebauung und in
jüngster Zeit durch ein breitgelagertes Alten-
zentrum ergänzt bzw. ersetzt wurden. Diese
Entwicklung begann in der Weberstraße 1874
mit dem Neubau Weberstraße 5, weitete sich
jedoch erst kurz nach 1890 auf das gesamte
Gebiet aus. Die Weberstraße erhielt ihre zwei-
te Besiedlungsschicht. Es entstanden (Nr.
5-29) noch vor der Jahrhundertwende drei-
bis viergeschossige Reihenmiethäuser z.T.
mit Ladeneinbauten, z.T. mit dazugehöriger
Hinterhausbebauung (Werkstätten und Woh-
nungen, Nr. 22/23, Nr. 25/26). Die Gruppe
setzte sich zwischen 1900-1904 um die Stra-
ßenecke in der Häuserzeile an der Posthorn-
straße (Nr. 9,10, 10a, 11,12,13, 14,14a) mit
bis zu fünfgeschossigen Gebäuden fort. Sie
zeigt in ihrer erhöhten Grundstücksausnut-
zung, der besonderen Eckgestaltung und den
flachen gotisierenden bzw. renaissancisti-
schen Ziegel-/Putzfassaden anschaulich die
Bauverdichtung in Linden, die städtebauli-
Posthornstraße 23, St.-Godehard-Kirche,
1873/74, Architekt Chr. Hehl
Weberstraße 12,11,10, Wohnhäuser
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Parallel zur Von-Alten-Allee verläuft die We-
berstraße, an der die Grafen von Platen im er-
sten Jahrzehnt des 18. Jh. Parzellen zur An-
siedlung von Handwerkern (vor allem Weber)
abstecken ließen. Die Besitzer mußten den
Bau selbst bezahlen, sie genossen den gräfli-
chen Schutz und Steuerbefreiung, waren der
Familie von Platen jedoch dienstverpflichtet
und von ihr in besonderer Weise abhängig.
Losgelöst von der Entwicklung im alten Dorf
entstand derart auf gräflichem Grund und Bo-
den die Siedlung Neu-Linden, zu der außer-
dem einige Wohnhäuser in der Nähe des
Bergwarenspeichers an der Blumenauer Stra-
ße gehörten. Die Bewohner zählten zur Guts-
kapelle; im Laufe des 18. Jh. erhielten sie eine
Schule (Grundstück Weberstraße 23, 1796-
1847; Neubau der Schule 1847 durch Maurer-
meister Gersting, Posthornstraße 8) und
einen eigenen Friedhof (s.o. Badenstedter-/
Ecke Kirchstraße); sie organisierten ihre eige-
ne Armenkasse usw. 1856 wurden die beiden
Gemeinden Alt- und Neu-Linden vereinigt.
So entstanden kleine einstöckige Fachwerk-
häuser in der Weberstraße; die meisten wur-
den später - z.T. schon im 18. Jh. - aufge-
stockt. Diese Siedlungsschicht repräsentieren
Nr. 20 und 21, gleichzeitig die ältesten Wohn-
häuser in Linden. Trotz des Verlustes des
Schlosses kann man sich das absolutistische
Gefälle zwischen der gräflichen Architektur
und diesen bescheidenen Handwerkerhäu-
sern vorstellen, das Ausdruck des sozialen
Gefüges und der Abhängigkeitsverhältnisse
war.
WEBERSTRASSE/POSTHORNSTRASSE
Während die Besiedlung des ehemals gräfli-
chen Geländes nördlich der Parzellen an der
Weberstraße direkt nach der Verkoppelung
einsetzte, blieben die Verhältnisse in dem
südlich anschließenden Flächendreieck (We-
ber-, Posthorn-, Deisterstraße) unverändert.
Bis in die siebziger Jahre des 19. Jh. be-
schränkte sich die Bebauung auf die „Weber-
häuser“ und den auf der südlichen Spitze lie-
genden Posthof mit Gasthaus zum Posthorn.
Etwa gleichzeitig mit der Anlage der Godehar-
di- und Kaplanstraße griff die Bauentwicklung,
die besonders östlich der Deisterstraße und
zwischen Weberstraße/Von-Alten-Allee
schon weit fortgeschritten war, auf dieses Flä-
chendreieck über. Es entstand um 1872 als ei-
ner der ersten Neubauten auf spitzwinkligem
Grundstück das Wohn- und Geschäftshaus
Deisterstraße 74, das mit seiner sparsam ge-
gliederten zweifarbigen Ziegelfassade und
der turmartigen Erhöhung über der Ecke ent-
scheidend die Straßengabelung Posthorn-/
Deisterstraße prägt.
St. Godehardkirche
1875 waren bereits die Kaplanstraße und die
südliche Westseite der Posthornstraße bis zur
Godehardkirche bebaut. Städtebauliche Do-
minante in diesem Bereich, in dem sich vor-
wiegend zweigeschossige Gebäude und die
kleinen Weberhäuschen fanden, wurde die
1873-74 nach Plänen von Chr. Hehl(vgl. Dei-
sterstraße 19, St. Bennokirche) errichtete ka-
tholische Pfarrkirche St. Godehard (Posthorn-
straße 23). Es handelt sich um den ersten Sa-
kralbau Hehls und - nach St. Clemens (vgl.
Hannover Teil I, Calenberger Neustadt) - um
das zweite nachreformatorische katholische
Gotteshaus im Raum Hannover. Der Zuzug
katholischer Arbeiterbevölkerung hatte die
Gründung einer Gemeinde notwendig ge-
macht. Zu dem katholischen Zentrum gehör-
ten Pfarrhaus (stark verändert) und Schule
(verschwunden).
Wie später bei dem Bau von St. Benno spiel-
ten die geringen finanziellen Mittel der Ge-
meinde eine gewisse Rolle für die Gestaltung.
Hehl entwarf eine dreischiffige Staffelhalle un-
ter einheitlichem Satteldach mit polygonalem
Westchor und querhausartigem Ostriegel mit
übergiebelter Eingangshalle an der Posthorn-
straße. Über dem Kreuzungspunkt der Dächer
erhob sich ein achteckiger Dachreiter. Das
Material ist Backstein, die Kreuzrippengewöl-
be des Innern bestanden aus Holz. Durch
Bombenschäden von 1943 gingen die Gewöl-
be und der Dachreiter verloren; der Wieder-
aufbau veränderte das Innere, wählte einen
etwas plumpen vierseitigen Dachreiter und
setzte an Stelle des Hauptportals eine Kapel-
le. Erhalten blieben die gotisierenden Außen-
Von-Alten-Allee 6, Villa Buresch, 1859/60
Deisterstraße 74, Wohn- und
Geschäftshaus, um 1872
Weberstraße 21,20, ehern. „Weberhäuser“
mauern mit schlanken gestuften Strebepfei-
lern und spitzbogigen Fenstern.
Ursprünglich beherrschte der Bau die Nach-
barschaft aus kleinen Häuschen, die durch
mehrgeschossige Wohnbebauung und in
jüngster Zeit durch ein breitgelagertes Alten-
zentrum ergänzt bzw. ersetzt wurden. Diese
Entwicklung begann in der Weberstraße 1874
mit dem Neubau Weberstraße 5, weitete sich
jedoch erst kurz nach 1890 auf das gesamte
Gebiet aus. Die Weberstraße erhielt ihre zwei-
te Besiedlungsschicht. Es entstanden (Nr.
5-29) noch vor der Jahrhundertwende drei-
bis viergeschossige Reihenmiethäuser z.T.
mit Ladeneinbauten, z.T. mit dazugehöriger
Hinterhausbebauung (Werkstätten und Woh-
nungen, Nr. 22/23, Nr. 25/26). Die Gruppe
setzte sich zwischen 1900-1904 um die Stra-
ßenecke in der Häuserzeile an der Posthorn-
straße (Nr. 9,10, 10a, 11,12,13, 14,14a) mit
bis zu fünfgeschossigen Gebäuden fort. Sie
zeigt in ihrer erhöhten Grundstücksausnut-
zung, der besonderen Eckgestaltung und den
flachen gotisierenden bzw. renaissancisti-
schen Ziegel-/Putzfassaden anschaulich die
Bauverdichtung in Linden, die städtebauli-
Posthornstraße 23, St.-Godehard-Kirche,
1873/74, Architekt Chr. Hehl
Weberstraße 12,11,10, Wohnhäuser
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