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Twachtmann-Schlichter, Anke [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 14,1): Stadt Hildesheim: mit den Stadtteilen Achtum, Bavenstedt, Drispenstedt, Einum, Himmelsthür, Itzum, Marienburg, Marienrode, Neuhof, Ochtersum, Sorsum, Steuerwald und Uppen — Hameln, 2007

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44417#0201
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Anspruch, Kunstverständnis und Repräsenta-
tionswillen ihrer Besitzer reflektiert. Charak-
teristisch für die Villa des Historismus ist die aus
den Parkbauten entlehnte Asymmetrie des
Grundrisses, die Großzügigkeit der Anlage, ihr
Komfort und das ihrer Ausgestaltung des
Inneren zu Grunde liegende Gesamtkonzept.
Die unterschiedlich verwandten architektoni-
schen Formelemente werden sowohl innen wie
außen zu einer Einheit verschmolzen. Ein he-
rausragendes Beispiel dieser zeitgenössischen
Architekturinterpretation ist die Villa Dyes, bei
der überwiegend neugotisches Formengut
Verwendung findet, aber auch Elemente der
Neorenaissance. An das in Muschelkalksteinen
erbaute zweigeschossige Hauptgebäude
schließen sich südlich die Orangerie und ein in
Fachwerk errichtetes Gästehaus an. Die
rechteckige Grundrissdisposition des Haupt-
hauses wird mannigfaltig im Außenbau variiert,
beispielsweise durch turmartige Eckrisalite,
Erker, Balkone, Veranden und Rundtürme. Für
das Maßwerk und die steinmetzmäßig bearbei-
teten Elemente wie beispielsweise die bekrö-
nenden Fialen, Gesimse, Stürze oder Gewände
verwandte man Sandstein. Im Zusammenspiel
mit den schmiedeeisernen Dachelementen
ergibt sich ein malerisches Erscheinungsbild
mit schlossähnlichem Charakter des Gebäu-
des, unterstützt durch die repräsentative
östliche Auffahrt. Die im Westen anliegende,
verglaste und mit einer zierlichen gotisierenden
Eisenkonstruktion ausgestattete Veranda unter-
strich die Sichtachse zum Park. Leider ist sie
ebenso wie die gesamte Grunddisposition der
Gartenanlage heute nicht mehr im Bestand
nachvollziehbar. Obwohl der Baukörper insge-
samt keine ausgeprägte Schauseite besitzt,
akzentuiert der oktogonale Turm mit Zinnen-
kranz die West- bzw. Gartenseite.
Im Inneren spiegelt sich eine klassische Ein-
teilung der Raumfunktionen im Sinne eines
großbürgerlichen Wohnens des späten 19. Jh.
wider. Im Erdgeschoss befanden sich die
großzügig geschnittenen Repräsentations-
bzw. Gesellschaftsräume, im Obergeschoss die
privaten Wohnräume. Das Dienstpersonal
bewohnte das Dachgeschoss. Küche und
Wirtschaftsräume waren im Souterrain unterge-
bracht. Wärme spendeten die mit Gas be-
heizten Kamine. Das Gebäude war mit der
modernsten seinerzeit denkbaren Haustechnik
ausgestattet. Aus dem Jahre 1881 liegt ein
Antrag des Konsuls Dyes an den Magistrat der
Stadt vor, der um Erweiterung des städtischen
Gasnetzes bittet. Vorgesehen ist eine Gaskraft-
maschine zum Pumpen des Wassers und zum
Betreiben der Gaslampen. Obwohl die Villa
nach dem Tod des Bauherren den unter-
schiedlichsten Nutzungen als Lazarett, Kinder-
garten etc. unterlag, ist die baufeste historisti-
sche Ausstattung im Erdgeschoss noch heute
in weiten Teilen erhalten. In dem südwestlich
gelegenen Entree und im Salon zeigen sich
noch Reste der ursprünglichen Schablonen-
malerei. Der Eingangsraum gewährte früher
unter anderem den Zugang zum Wandelgang
des Gästehauses, zur Orangerie und zum
Salon. Durch Glastüren zu beiden Seiten ergab
sich eine Transparenz, ein hochmoderner
Gedanke, die durch jüngere Einbauten gestört

Hildesheim, Weinberg 64, Villa Dyes, Holzdecke


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