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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0028
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Bauhistorischer Überblick

Das Hauptgewicht der denkmalwerten Bausubstanz in der Stadt Oldenburg liegt heute
auf der Architektur des 19. Jh. Nicht nur die in jener Epoche neuentstandenen Stadterwei-
terungen, die sich ab der zweiten Jahrhunderthälfte als Ring um Alt- und Neustadt legten,
sind für dieses Bild verantwortlich, auch die Altstadt wird von klassizistischen und vor
allem historistischen Gebäuden dominiert. Abgesehen von den sakralen Bauten der Ger-
trudenkapelle und des Lappan sowie Rudimenten in den Langhauswänden von St. Lam-
berti haben sich von der mittelalterlichen Bausubstanz Oldenburgs keine nennenswerten
Architekturen im Aufgehenden erhalten.
Die Quellenlage für die bürgerliche Architektur Oldenburgs ist äußerst dürftig. Als wich-
tige Quelle, der ein hohes Maß an Authentizität zuzubilligen ist, muß der Stich von Pieter
Bast betrachtet werden, der die Altstadt Oldenburgs vor dem Brand von 1676 zeigt. Die
hier dargestellte Architektur, vorwiegend giebelständige Häuser mit Satteldach, wurde
weitgehend durch den Brand des Jahres 1676 zerstört. Von dem vorherrschenden Typ
des giebelständigen Hauses sind einige größere Gebäude im Neustadtbereich der Lan-
gen Straße und am Markt zu sehen, die sich aufgrund urkundlicher Quellen der kleinen
Oberschicht zuordnen lassen, die der Klerus und die gräflichen Beamten sowie einige
bedeutende Kaufleute bildeten. Einige dieser Häuser sind durch ihre Giebelform und Er-
kerais Bauten der Renaissance zu identifizieren. Sie könnten während der bescheidenen
kulturellen und wirtschaftlichen Blüte unter der Regierung des Grafen Anton Güntherent-
standen sein, dessen Schloßneubau möglicherweise auch der bürgerlichen Baukunst
Impulse vermittelte. Doch war dieser Bautätigkeit wegen einer fehlenden Auftraggeber-
schicht-wedergab es eine nennenswerte Adelsschicht noch eine breite Schicht wohlha-
bender Kaufleute - Grenzen gesetzt.
Die Einwohnerschaft Oldenburgs bestand in der Hauptsache aus Handwerkern, Kaufleu-
ten, Schiffern, Tagelöhnern und dem in gräflichem Dienst stehenden Personal. Neben
dem Handel und dem Handwerk blieb für viele Bürger bis ins 18. Jh. die Bewirtschaftung
von Gärten und Ackerland vor den Toren der Stadt eine wesentliche Lebensgrundlage.
Von der Brandkatastrophe - nur der am südlichen Rand der Altstadt gelegene Schloßbe-
zirk und Teile des Marktplatzes blieben von dem Feuer verschont-hat sich die Stadt nur
langsam erholt. Noch um die Mitte des 18. Jh. waren viele Hausplätze nicht wieder be-
setzt. Unter dänischer Herrschaft ist von einer ausgesprochenen kulturellen Stagnation
zu reden, so daß in der zweiten Hälfte des 17. und während des 18. Jh. keine herausra-
genden Bauten entstanden. Der Ausbau zur Festung und die Umbauarbeiten am Schloß
(1737-43) unter Claus Stallknecht sowie die Errichtung des Kanzleiflügels (1744/45,
1894 abgetragen) blieben bis 1773 die einzig nennenswerten Baumaßnahmen.
Nachdem Oldenburg als Territorium 1773 wieder selbständig geworden war und der
Nachfolger Herzog Friedrich Augusts, Peter Friedrich Ludwig, seinen Wohnsitz von Eutin
nach Oldenburg verlegt hatte, setzte der Ausbau Oldenburgs zur Residenzstadt ein. Ins-
besondere die unter Peter Friedrich Ludwig und seinem Nachfolger entstandenen Ver-
waltungs-, Kultur- und Militärbauten sind in der überkommenen Denkmalsubstanz die
Gebäude im Stadtbild, die im Innenstadtbereich in hoher Zahl Einzeldenkmalqualität be-
anspruchen. Daneben wurden im Klassizismus die Wohnhausformen entwickelt, die den
Wohnungsbau der gesamten zweiten Jahrhunderthälfte beeinflußten.
Das freistehende Ein- oder Zweifamilienhaus bzw. in der heutigen Altstadt das Wohn-/
Geschäftshaus vor allem der zweiten Jahrhunderthälfte des 19. Jh. ist der Gebäudetyp,
der das Stadtbild Oldenburgs beherrscht und in dieser städtebaulichen Qualität den
Hauptbestandteil der denkmalwerten Gebäude ausmacht. Aber auch die öffentlichen Ge-
bäude der Verwaltung, Bildung, Kultur, sozialen Fürsorge, die als neue Bauaufgaben des
bürgerlichen Zeitalters in den Vordergrund traten, erweisen sich insbesondere für den
Innenstadtbereich als prägend. Neben der durch die Stadterweiterungen der zweiten
Hälfte des 19. Jh. und der Jahrhundertwende hervorgerufenen Gewichtsverlagerung trat
nach den Eingemeindungen der zwanziger und frühen dreißiger Jahre eine weitere gra-
vierende Veränderung im Anschluß an den Zweiten Weltkrieg ein, als der starke Zustrom
von Flüchtlingen die Anlage großer Stadtrandsiedlungen notwendig werden ließ. Der
Schwerpunkt dieser Bautätigkeit lag im Westen der Stadt in Eversten/Bloherfelde.

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