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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0065
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Die Neustadt zwischen Haarenstraße und
Langer Straße wird von zwei planmäßig, viel-
leicht erst im 15. Jh. angelegten, gerade ge-
führten Straßen erschlossen: in Nord-Süd-
Richtung von der Mottenstraße (Erstnennung
1454 als „krucestrate“), in Ost-West-Rich-
tung von der Kurwickstraße. In einer nördli-
chen Parallele zur Kurwickstraße wurde ab-
zweigend von der Mottenstraße 1526 die
Neue Straße angelegt, die seit 1901 zum Waf-
fenplatz gehörte. Heute trägt den Namen
Neue Straße eine kurze, ihr später zugelegte
Verbindung westlich des Waffenplatzes zwi-
schen Kurwick- und Wallstraße, die auf dem
Hünerschen Plan von 1792 als unbebauter
Weg erscheint.
Die nördlichste Straße der heutigen Altstadt,
die erst 1818 so bezeichnete Wallstraße, ent-
stand aus einer Straße entlang der nördlichen
Stadtbefestigung zwischen Haaren- und Hei-
ligen-Geist-Tor, die 1444 wegen ihrer Lage
die Bezeichnung „murenstrate in der nigen-
stadt“ erhielt.
Die Voraussetzung für eine Ausdehnung der
städtischen Siedlung über den spätmittelal-
terlichen Grundriß hinaus wurde mit den 1765
eingeleiteten Entfestigungsmaßnahmen ge-
schaffen, in deren Verlauf Gast-, Berg-, Rit-
ter- und Mühlenstraße einen Ausgang erhiel-
ten.

DIE ALTSTADT IM AUFRISS -
EIN ÜBERBLICK
Die Altstadt Oldenburgs weist die größte Be-
bauungsdichte innerhalb des Stadtgebiets
auf. Die in großen Bereichen historisch über-
kommene Parzellenstruktur zeichnet sich
durch schmale, divergierend geschnittene
Grundstücke aus, deren Überbauung mit Vor-
derhaus sowie einem oder mehreren Hinter-
gebäuden in unterschiedlicher Höhe ein
überaus heterogenes und stark ineinander
verzahntes Gefüge darstellt.
Dieses Erscheinungsbild läßt sich im wesent-
lichen bis zu dem Stich Pieter Basts von 1598
zurückverfolgen, der die Stadt vor dem Brand
im Jahre 1676 zeigt. Fast der gesamte dama-
lige Hausbestand der Altstadt, etwa 700
Wohnhäuser und 250 Nebengebäude, wurde
dabei vernichtet. Ausgenommen waren die
meisten Häuser am Markt und die südlich da-
von gelegenen Gebäude wie Lambertikirche
und Schloß. Schon 1597 waren bei einem
Brand in der Haarenstraße etwa 90 Häuser
zerstört, bald danach aber wieder errichtet
worden. Die noch nicht bebauten Grund-
stücke markierte Bast durch punktierte Par-
zellengrenzen.
Als vorherrschenden Haustyp zeichnete er
das giebelständige Haus mit Satteldach, das
wohl vielfach, wie die rundbogigen mittigen
Eingänge mehrerer Häuser an Langer Straße
und Achternstraße erkennen lassen, mit einer
zentralen Diele ausgestattet war. Als Bauma-
terial überwog, schenkt man dem Bericht des
Hofhistoriographen Johann Just Winckel-

H. v. Lennep, Radierung aus J. J. Winckelmanns „Oldenburgische Friedens- und der benachbarten Oerter
Kriegshandlungen“, 1671 (Stadtmuseum Oldenburg, KP 51)


mann von 1671 über Oldenburg Glauben, der
Backstein gegenüber dem Fachwerk. Beson-
ders an Markt und Langer Straße standen re-
präsentative Giebelhäuser mit Ausluchten
und Erkern, deren Bauherren sicher der klei-
nen sozialen Oberschicht von gräflichen Be-
amten und reichen Kaufleuten angehörten.
Die Parzellen nehmen vor allem an der Ach-
ternstraße und Langen Straße außer dem
Vorderhaus ein sich unmittelbar anschließen-
des Hinterhaus auf. Diese Anordnung der Be-
bauung war in ähnlicher Weise seitdem Spät-
mittelalter für viele Städte Nordwestdeutsch-
lands, z. B. Lübeck und Lüneburg, charakteri-
stisch geworden. Wie sich deutlich auf der
Ostseite der Achternstraße im Neustadtbe-
reich beobachten läßt, ist bisweilen zwischen
Vorder- und Hinterhaus ein niedrigerer und
schmalerer Zwischenbau eingefügt. Nach
dem Brand 1676 scheint sich diese dreiglied-
rige Bebauung verbreitet zu haben und ist ge-
gen Ende des 18. Jh. im Nordabschnitt der
Langen Straße und Achternstraße systema-
tisch durchgeführt.
Der durch den großen Stadtbrand erlittene
Verlust an Bausubstanz konnte wegen der
nachfolgenden wirtschaftlichen Stagnation
nur langsam und in bescheidenem Maßstab
ausgeglichen werden. Lediglich an der Lan-
gen Straße, wo die wohlhabendsten Bürger
ansässig waren, entstanden einige größere
Ziegelbauten. Die Mehrzahl der Einwohner
mußte sich damit begnügen, auf den beibe-
haltenen Parzellen überden alten Grundmau-
ern schlichte Konstruktionen, oft in Fachwerk
zu errichten. Aufgrund dieser Situation blieb
das 18. Jh. ohne stadtbaugeschichtliche Hö-
hepunkte.
Entscheidend wurde das Gesicht der Altstadt
während der letzten großen Phase einer

durch den wirtschaftlichen Aufschwung der
Gründerzeit initiierten Neubebauung in den
Jahren zwischen 1860 und 1900 verändert,
mit der zahlreiche Abbrüche verbunden wa-
ren. Oft genügte es den Bauherren zur Doku-
mentation ihres neugewonnenen Wohlstan-
des und Selbstverständnisses aberauch, den
alten Gebäuden massive, repräsentative Fas-
saden vorzublenden. Obwohl man im we-
sentlichen die alte Parzellenstruktur beibe-
hielt, wurden viele neue Häuser über den al-
ten Grundriß hinweg verbreitert, so daß zum
Teil Gänge und Häusinge überbaut wurden,
die oft als Zugang zu den Hinterhäusern dien-
ten.
Im Interesse des steigenden Verkehrs war
man bei Neubauten auf die Herstellung einer
einheitlichen Fluchtlinie bedacht, ebenso auf
die Beseitigung von Bänken, Treppenstufen
und Einfriedungen, die die Eigentümer in der
Regel ohne Genehmigung vor ihren Häusern
auf den Gehwegen angelegt hatten. Eine ent-
sprechende Genehmigungspflicht existierte
zwar schon seit 1777, wurde auch mehrfach
wiederholt, aber erst seit dem Bestehen des
städtischen Bauamts ab 1874 überwacht und
schließlich in die 1890 eingeführte Baupoli-
zeiordnung aufgenommen.
Die wirtschaftliche Konjunktur brachte seit
Ende der fünfziger Jahre unseres Jahrhun-
derts wesentliche Eingriffe in die Architektur
der Altstadt mit sich, die einen beträchtlichen
Verlust historisch bedeutsamer Gebäude-
gruppen zur Folge hatten. Betroffen war zu-
nächst vor allem der Bereich von Schloß-,
Markt- und Kasinoplatz, wo an entscheiden-
den Stellen neben denkmalwerter Bausub-
stanz auch die historische Parzellierung ver-
lorenging. Diesen Maßnahmen fielen u.a. die
letzten Steinwerke Oldenburgs zum Opfer:
das zu Markt 9 gehörende Steinwerk (1595)

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