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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0137
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deckte Vorbauten mit goldfarbenen, filigran
gearbeiteten Gittern vor den Fenstern beglei-
ten, gliedern vier Backsteinlisenen. Sie bilden
gleichzeitig die Unterteilung des unter einem
Segmentbogen weit gespannten fünfbahni-
gen Fensters. Die vertikalen Wandflächen
darüber überziehen zopfförmige Ziegelbän-
der. Einen monumentalen Akzent setzt am
Westgiebel ein 34 m hoher Uhrturm in der
Blickachse der Bahnhofstraße, ebenfalls mit
der genannten Zopfornamentik in eingetief-
ten Mauerflächen. Der sich östlich an das
Hauptgebäude anschließende Trakt war für
die Eilgutabfertigung und Dienstwohnungen
vorgesehen. Insgesamt stellt der Bau eine ei-
genwillige Synthese aus einer die regionale
Architekturüberlieferung bewahrenden Bau-
weise, die sich z. B. in der Wahl des einheimi-
schen Baumaterials und traditionellergroßflä-
chiger Dachformen niederschlägt, und einer
um funktional-sachlichen Ausdruck bemüh-
ten modernen Strömung mit expressionisti-
schen Tendenzen dar.
Die reiche, u.a. durch Majolikafliesen belebte
Innenausstattung der kreuzgratgewölbten
Eingangshalle wurde in den sechziger Jahren
unseres Jahrhunderts bis auf wenige Reste,
z.B. einen Majolikabrunnen an der West-
wand, entfernt. Dagegen vermittelt der mit
Wandpaneelen und Kassettendecke ausge-
stattete Raum der Bahnhofsgaststätte (ehern.
Wartesaal 1. und 2. Klasse) nach einer 1985/
86 durchgeführten Restaurierung, anläßlich
derer die 1949 mit den Originalschablonen
erneuerten Malereien freigelegt wurden, fast
den ursprünglichen Zustand.
An das Hauptgebäude schließt sich im We-
sten über eine Maueranbindung, ursprüng-
lich mit vorgelegter Pergola, der sog. Fürsten-
bau als ehemaliges Empfangsgebäude der
herzoglichen Familie an. Dem eingeschossi-
gen, walmgedeckten Bau mit kleinem Turm,
analog zum Uhrturm des Hauptgebäudes, ist
auf der Südfassade eine offene, auf Doppel-
pfeilern ruhende Halle mit Dachhaus vorge-
legt, das als Träger eines in Muschelkalk ge-
arbeiteten oldenburgischen Wappens dient.
Hinter der vorgewölbten Fensterzone der
Ostseite liegt der mit Wandpilastern und einer
stuckierten Decke in klassizistischen Formen
gehaltene Empfangsraum.
In Zusammenhang mit der Eisenbahnanlage
sind zwei technische Kulturdenkmale von Be-
deutung, die am Stau in unmittelbarer Nach-
barschaft zueinander stehen. Die sich im
Osternburger Industriegebiet vereinigenden
Gleise, von Süden aus Osnabrück, von Osten
aus Bremen kommend, überqueren die
Hunte über eine zweigleisige Rollklapp-
brücke. Sie ersetzte 1953 eine 1905 erbaute,
durch Kriegseinwirkung zerstörte Drehbrük-
ke. Mit einer Gesamtlänge von 2x29,71 m
gehört sie zu den größten Stahlkonstruktio-
nen dieser Art in Europa. Westlich der Brücke
erhebt sich weithin sichtbar ein 1908 im Auf-
trag der Oldenburgischen Staatsbahn errich-
teter Wasserturm, der mit einer Höhe von
33 m längst zu einem Orientierungspunkt in
der Oldenburger Stadtsilhouette geworden
ist. Ein Abriß des inzwischen funktionslosen

Turms, mit dessen Dachabbau 1987 schon
begonnen worden war, konnte bisherverhin-
dert werden. Der zylindrisch ummantelte
Wasserhochbehälter ruht auf einer Substruk-
tion aus polygonalem Sockel und sich verjün-
gendem Schaft, dessen Ziegelverblendung
durch Putzlisenen gegliedert ist, die sich über
dem abschließenden Wulstring verkröpfen
und in diesem Bereich eine Jugendstilorna-
mentiktragen.

STADTBAUGESCHICHTLICHE
ENTWICKLUNG DER NORDSTADT
Die sich nach der Wallniederlegung ausdeh-
nende Besiedlung richtete sich zu Beginn des
19. Jh. insbesondere nach Norden auf das
Gebiet der städtischen Allmende, wo der
trockene Untergrund des oldenburgisch-ost-
friesischen Geestrückens eine problemlose
Bebauung ohne kostspielige Aufschüttungs-
arbeiten zuließ. Dieses der Stadt schon im
Mittelalter gehörende Ackerland, an das Flur-
namen wie Bürgeresch, Beverbäker Esch

(beide zwischen Donnerschweer- und Na-
dorster Straße gelegen), Ehnernesch (zwi-
schen Nadorster- und Alexanderstraße) und
Bürgerfelde erinnern, wurde mit Abnahme
der selbständigen Ackerwirtschaft der Olden-
burger Bürger in Weiden, Wiesen und Gärten
umgewandelt und nach der Vermessung
1803 bis in die sechziger Jahre des 19. Jh.
vollständig aufgeteilt. Die allmählich nach
Norden fortschreitende Bebauung, die sich
bis in die fünfziger Jahre unseres Jahrhun-
derts erstreckte, umfaßt heute ein Gebiet,
dessen Grenze im Süden die Eisenbahnlinie
nach Leer, im Westen und Norden ein Teil-
stück der Autobahn 293 des 1987 fertigge-
stellten Autobahnrings umschreiben und das
im Osten von der ehern. Gemeinde Ohm-
stede durch eine Linie im Verlauf von westli-
cher Donnerschweer Straße, Bürger- und
nördlicher Nadorster Straße abgegrenzt wer-
den kann.
Das Grundrißsystem bestimmen mehrere,
auf bereits im Mittelalter bestehende Wege
zurückgehende Ausfallstraßen. Am östlichen
Geestrand entlang zieht sich die im Mittelalter

Stau, Rollklappbrücke, 1953


Stau, Wasserturm, 1908 (Aufnahme 1977)


Bahnhof, Empfangshalle


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