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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0101
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ENTFESTIGUNG UND
WALLBEBAUUNG
Unter der Regierung Friedrich Augusts von
Holstein-Gottorp nahm eine erstmals die
spätmittelalterliche Stadtgrenze bewußt
überschreitende städtebauliche Entwicklung
ihren Anfang. Eingeleitet wurde sie 1775
durch die Rückübertragung der Wallanlagen
an den Herrscher. Zur Rückgabe der Schen-
kung sah sich der Oldenburger Magistrat of-
fenbar gezwungen, weil die Stadt nicht über
ausreichende Finanzmittel verfügte, um die
Realisierung einer zukünftigen Nutzung auf
lange Sicht zu verfolgen. Mit dem herzogli-
chen Auftrag, unter Leitung des Forstmei-
sters Johann Peter Ahlersauf den Wällen Pro-
menaden und Alleen anlegen zu lassen,
wurde die Voraussetzung für eine städtebau-
lich neue Konzeption geschaffen. Oldenburg
folgte damit nach dem Siebenjährigen Krieg
dem Beispiel anderer norddeutscher Städte
wie Münster oder Göttingen, während in grö-
ßeren Städten, z. B. Hannover, Braunschweig
und Bremen, Entfestigung und Anlage von
Promenaden später einsetzten.

der Einebnung des letzten Wallabschnitts
zwischen dem neuangelegten Kasinoplatz
und dem Paradewall wurde der Promenaden-
ring um die Stadt geschlossen. Die abgebro-
chenen Tore ersetzte man durch Wachhäus-
chen mit Sperrgittern, um der Stadt zum ei-
nen die Einnahmen der Torsperre zu sichern
und zum anderen die verfassungs- und ge-
werbepolitische Abgeschlossenheit der Stadt
zu demonstrieren. Nur wenige Jahre später,
im Jahre 1846, wurde die Torsperre aufgeho-
ben. 1868 wurden die letzten Torbauten ent-
fernt.
Die Wallflächen jenseits des stark verschmä-
lerten Stadtgrabens, der in Teilbereichen wie
dem Festungsgraben vor dem ehemaligen
Kronwerk oder dem Schloßgartenteich in tote
Gewässer umgewandelt wurde, erfuhren ins-
besondere an Heiligengeist- und Theaterwall
zwischen 1836 und 1844 eine Gestaltung im
Sinne des englischen Landschaftsgartens
durch den Hofgärtner Julius Bosse.
Abgesehen von der schon im Historismus
einsetzenden Änderung in der Pflanzenver-

wendung, vermittelt dieser Grüngürtel, der
als gestaltete Natur zur unbebauten Land-
schaft überleiten sollte, bis heute die Idee des
klassizistischen städtebaulichen Konzepts.
Der mit seinen Zickzackbiegungen einbezo-
gene Stadtgraben gibt darüber hinaus, wenn
auch mit reduzierten Wasserflächen, den
Umriß der barocken Festung Oldenburgs
wieder. Im Laufe der Zeit wurde das Erschei-
nungsbild der Alleen stark beeinträchtigt.
Schon 1893 und 1909, dem Jahr, in dem das
Wallareal mit Ausnahme des Paradewalls in
den Besitz der Stadt überging, wurde an
Theater- und Heiligengeistwall jeweils eine
Baumreihe gerodet, so daß nur die Doppel-
reihe an der Promenade weiterbestand. 1933
mußten die noch vorhandenen Ulmen wegen
Krankheitsbefall durch Linden ersetzt wer-
den.
Die Anlage eines geschlossenen Straßen-
rings um die Altstadt in den fünfziger und
sechziger Jahren unseres Jahrhunderts, der
den innerstädtischen Verkehr entlasten
sollte, bedeutete die bisher einschneidend-
ste Veränderung des Wallgeländes, der viele

Obwohl schon von Friedrich August ange-
strebt, wurde die Abtragung der Wälle erst ab
1789 unter der Regierung Peter Friedrich
Ludwigs betrieben. Mit dem seit 1782 her-
zoglichen Bauinspektor J. G. Beckerhatteer
sich eines Fachmanns versichert, derdie not-
wendigen Kenntnisse zuvor im Hannover-
schen Ingenieurcorps unter dem General-
Major G. J. du Plat erworben hatte, dem die
Planung (1779) für die Umgestaltung der Fe-
stung Hannover oblag. Durch die Einebnung
der Wälle konnte für die Altstadt ein günstige-
res Entsorgungssystem geschaffen werden,
mit dem eine Verbesserung der hygienischen
Verhältnisse verbunden war. Neben dem
Aspekt, daß ein solches Unternehmen vielen
Menschen Arbeit bot, war dies einer der
Hauptgründe für die Abtragung der Wallanla-
gen.
Als erster Abschnitt wurden 1789/90 der
Schloßwall mit Dammtor an der Hunte sowie
das vorgelegte Kronwerk eingeebnet. Dabei
wurden auch die zwischen Wall und Schloß
gelegenen, unter Graf Johann errichteten Mi-
litärgebäude, Zeug-, Luntehaus und Labo-
ratorium, abgebrochen. Den ehemaligen
Schloßwall gestaltete man zu einer von vier
Lindenreihen bestandenen Promenade, die
zunächst Esplanade, später Paradewall ge-
nannt wurde, da sie im 19. und noch zu Be-
ginn des 20. Jh. dem Militär als Paradeplatz
diente.
Die weitere Planierung des Wallgeländes
setzte im Jahre 1800 auf der Linie zwischen
Staustraße und Heiligengeisttor ein. Es folgte
von 1801-1805 der Abschnitt von letztge-
nanntem bis zum Haarentor und schließlich
die Fortsetzung bis zur Gaststraße. Die Nie-
derlegung der Strecke von hier bis zum Ever-
stentor wurde erst nach einem Beschluß des
Jahres 1841 ausgeführt, wobei das Tor selbst
mit dem Kommandantenhaus schon 1814,
das doppelte Brückengewölbe über der
Hausbäke erst 1842 abgerissen wurde. Mit


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