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Böker, Doris [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0142
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menen Umbau, in den ein 1814 erbautes
Haus einbezogen worden war. Ein weiteres
Beispiel spätklassizistischer Bebauung der
Heiligengeiststraße geben die beiden dreige-
schossigen, in geschlossener Bauweise er-
richteten Wohn-/Geschäftshäuser A/r. 31 und
Nr. 32, wo vor allem die Mittelachsen der Bel-
etage gestalterisch hervorgehoben sind: bei
dem vierachsigen Haus Nr. 31 (erb. um 1870)
durch eine korinthisierende Pilasterordnung
mit Festonfries im abschließenden Gebälk
und bei Haus Nr. 32 (erb. 1869), dessen fünf
Achsen durch Lisenen rhythmisiert werden,
durch die von korinthischen Halbsäulen un-
terteilten drei Rundbogenfenster.

PFERDEMARKT
In Verbindung mit der Trassierung der Heili-
gengeiststraße wurde 1803 der Pferdemarkt
angelegt, eine wohl schon im Mittelalter als
Markt für den Pferdehandel genutzte Weide-
fläche an der wichtigsten Durchgangsstraße
Oldenburgs (1682 erstmals als Marktplatz er-
wähnt). Diese Neugestaltung beschränkte

sich zunächst auf die östliche Hälfte, die
durch fünf, in Ost-West-Richtung verlaufende
Alleen gegliedert wurde, von denen die mitt-
lere als Weg nach Donnerschwee diente, war
aberzu Beginn derdreißiger Jahre bereitsauf
die westliche Hälfte ausgedehnt worden. Der
Fahrweg nach Donnerschwee wurde in die-
sem Zusammenhang an den südlichen Platz-
rand verlegt. Nach dem Ende der Befreiungs-
kriege 1813 und der Rückkehr Peter Friedrich
Ludwigs aus dem Exil kam es zu einer Reor-
ganisation von Verwaltung und Militär, das bis
dahin in Privatquartieren untergebracht und
verpflegt worden war. Als Lösung dieses
ständig Konflikte mit der Einwohnerschaft
provozierenden Problems bot sich der Bau
von Kasernen an, dieaufdem Pferdemarkt er-
richtet werden sollten. Mit der Wahl dieses
Bauplatzes war gleichzeitig der Gedanke ver-
bunden, an der Achse zwischen Gertruden-
friedhof und Heiligengeisttor eine städtebau-
liche Dominante für das Gebiet nördlich der
Stadt zu schaffen.
Nach Entwürfen von H. C. Slevogt wurde
1819/20 die erste Infanteriekaserne östlich


Situationszeichnung des Pferdemarkts mit Umgebungen, 1835 (Nds. Staatsarchiv Oldenburg, Best. 298,
A73)

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der Heiligengeiststraße am Nordende des
Pferdemarkts errichtet, 1835/36 folgte die
zweite Kaserne auf der Westseite, die sich
abgesehen von wenigen Detailänderungen
an dem Vorbild der ersten orientierte (Archi-
tekten Slevogt und H. Strack). Im rechten
Winkel dazu wurde schließlich auf der West-
seite des Pferdemarkts, der vor den Kasernen
nun als Exerzierplatz hergerichtet war, 1837/
38 von H. Strack die Militärakademie (1815
gegründet) erbaut. Das klassizistische En-
semble, 1895 durch den Brand der östlichen
Kaserne reduziert, wurde bis kurz nach der
Jahrhundertwende durch weitere Großbau-
ten ergänzt, die nach wie vor bedeutenden
Einfluß auf das Stadtbild nehmen, deren
platzräumlicher Kontext aber durch den Um-
bau des Pferdemarkts verlorengegangen ist.
Auf der Westseite wird die nördliche Platz-
wand von dem sich über 19 Achsen erstrek-
kenden, zweigeschossigen Hauptflügel der
1835/36 erbauten Kaserne eingenommen,
dem sich nach Norden zwei ungleichlange
Flügel anschließen (Pferdemarkt 14). Dieses
Gebäude, das bis nach dem Ersten Weltkrieg
militärischen Zwecken diente, wurde von
1982-84 ausgekernt und mit veränderter
Grundrißkonzeption für die Stadtverwaltung
ausgebaut. Die Fassade wurde nach Befund
restauriert. Zusammen mit einem 1988 fertig-
gestellten, sich nach Norden anschließenden
Neubau wird die ehemalige Kaserne heute als
Rathaus genutzt. Der gelb gestrichene Zie-
gelbau wird ohne geschoßtrennendes Ge-
sims nur durch die gleichmäßige Reihung der
scharfkantig in die Mauer einschneidenden
Fenster und das große Motiv des fünfachsi-
gen mittleren Gebäudeteils mit Dachausbau
und abschließendem Dreiecksgiebel struk-
turiert. Eine um das mittige Rundbogenportal
leicht vortretende Quaderimitation bildet das
einzige repräsentative Element an dem als
eine der wenigen Kasernen des frühen 19.
Jh. erhaltenen Gebäude. Obwohl derwestlich
benachbarte Bau, 1913/14 für die Militärver-
waltung errichtet (Pferdemarkt 13), mit seinen
drei Geschossen und dem Mansarddach die
alte Kaserne überragt, tritt er optisch hinter sie
zurück. Dafür ist die betonte Schlichtheit der
durch Lisenen gegliederten siebenachsigen
Fassade verantwortlich, die lediglich mit der
gebälktragenden Pilasterrahmung des mitti-
gen Eingangs ein sich der klassizistischen Ar-
chitekturumgebung anpassendes Motiv auf-
nimmt.
In repräsentativerer Manier als die Kaserne
konzipierte Strack den zweigeschossigen
Putzbau der Militärakademie (Pferdemarkt
12), der zwischen 1848 und 1916 den ersten
Oldenburger Landtag beherbergte, heute als
Standesamt genutzt wird und in seinerausge-
wogenen Proportionierung und fein differen-
zierten Detaillierung zu den qualitätvollsten
Bauten des Klassizismus in Oldenburg ge-
hört. Die streng symmetrisch konstruierte
neunachsige Schaufassade betont ein nur
leicht vorgezogener fünfachsiger Mittelrisalit
mit flachgeneigtem Dreiecksgiebel, dessen
Tympanon ein von F. A. Högl gearbeitetes
Trophäenrelief schmückt. In Unterscheidung
zu dem von einem horizontalen Fugenschnitt

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