Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Editor]; Württembergischer Altertumsverein [Editor]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Editor]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Editor]
Fundberichte aus Schwaben — N.F. 14.1957

DOI article:
Schmidt, Erich: Untersuchungen und Funde in der Aureliuskirche in Hirsau (Kr. Calw)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.66264#0161

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Untersuchungen und Funde in der Aureliuskirche in Hirsau

149

Untersuchungen und Funde in der Aureliuskirche in Hirsau
(Kr. Calw)
Von Erich Schmidt, Stuttgart
Mit 1 Textabbildung und Tafel 66
Im Jahre 1955 wurde die seit 1585 profanierte und dann den ver-
schiedensten Zwecken dienende Kirche dem katholischen Kultus wieder-
gegeben. Nur das Langhaus und die beiden Fronttürme sind noch in den
unteren Teilen erhalten, die Ostwand des heutigen Kirchenraums ist neu
auf geführt. Leider wurde bei der Wiederherstellung, die einen sehr wür-
digen Gesamteindruck ergab, versäumt, die einmalige Gelegenheit einer
Untersuchung des gesamten älteren Bodens und der Fundamente vor-
zunehmen. Ebensowenig wurde der fast 1,5 m hoch auf gefüllte Nordturm,
der die neue Sakristei enthält, ausgeräumt. Da die Einfüllung wohl
romanisch ist, wären Reste aus der karolingischen Kirche zu erwarten ge-
wesen. Ob das Versäumte hier noch nachzuholen sein wird, bleibt ab-
zuwarten. Dagegen fanden sich im Südturm, schon in romanischer Zeit
vermauert, drei Reliefplatten (Taf. 66), die nach der Fundlage sicher karo-
lingisch sein müssen. Es sind die ersten Stücke dieser Art, die auf württem-
bergischem Boden zutage kamen. Mit dem „klassizistischen“ Stil der Reste
aus Unterregenbach haben sie nichts gemeinsam.
Die Platten 1 und 3 gehören zu Schranken; sie haben an den Seiten-
kanten noch Reste der „Feder“, mit der sie in Pfosten eingriffen. Erhalten
sind derartige Pfosten mit ganz ähnlicher Dekoration in Reichenau-Mittel-
zell. Unsere Platten waren mit den verlorenen Pfosten durch Klammern
verbunden, außerdem tragen die Oberseiten der Reliefs Löcher für Dübel,
mit denen sie (heute verschwunden) Deckplatten Halt gaben. In Reichenau
sind mehrere solcher Deckleisten vorhanden. Schwer einzuordnen ist die
Platte 2. Auch sie hat an der linken Schmalseite Reste der „Feder“, sie war
also ebenfalls in einen Pfosten eingebunden. Ebensowenig fehlt das Dübel-
loch auf der Oberseite.
Die Dekoration der Platten 2 und 3 ist von Bandgefiecht bestimmt, das
von Platte 2 wiederholt sich, ins Rechteck einkomponiert, wörtlich auf einem
der Pfosten von Reichenau. Die am oberen Ende gerollten Blätter, die bei
Platte 2 den Abschluß der Dekoration bilden, sind aus Dalmatien und Ober-
italien wohlbekannt. Das Kreuz auf Platte 1 begegnet uns motivisch auf
einer Platte aus Münster in Graubünden, das Begleitornament zeigt dort
wie in Hirsau Blattdekoration neben dem Bandwerk.
Die Hirsauer Stücke sind aus dem lokalen roten Buntsandstein ge-
arbeitet, die von Reichenau bestehen aus dem grauen Rorschacher Stein,
also ebenfalls aus einheimischem Material. An beiden Stellen haben also
die Steinmetzen den gegebenen Stein verwendet.
Für die Herkunft der Werkleute, die wohl sicher keine Einheimischen
waren, könnte vielleicht ein Hinweis in der Nachricht bestehen, daß Bischof
Noting von Vercellae die Kirche gebaut habe. Er brachte auch die Reliquie
des heiligen Aurelius aus Mailand nach Hirsau, in dieser Gegend war die
Dekoration unserer Platten durchaus geläufig. Außerdem gehörte Noting
zur Gebetsverbrüderung der Reichenau. Sollte der Meister, der die Platte 2
entwarf, auch das Muster des Reichenauer Pfostens gezeichnet haben?
 
Annotationen