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Die Gartenkunst — 9.1907

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Schultze-Naumburg, Paul: Naturverschönerung, [1]: Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung des Bundes "Heimatschutz" in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0011

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IX, 1 Dl B GARTENKUNST

eines schlichten Bauernhauses am Rande
eines Waldes; auch hier erlebt1-unser Auge
durch das Vorhandensein dieses Hauses
eine reichere Freude, als wenn es nur den
schlichten Waldrand in sich aufnähme.
Man darf das natürlich nicht so aufTassen,
als müfste nun vor jedem Waldrand ein
hübsches Bauernhaus stehen. Wir werden-
der Waldeinsamkeit nicht entbehren wollen;
aber die gelegentliche Unterbrechung und
Bereicherung wird uns sogar den Genufs
dei darauffolgenden Einsamkeit erhöhen.
Ja, sogar auf Abb. 2 werden wir den
hellen Saum der Kaistrafsen, die weifs
herausleuchtenden Punkte der Landhäuser,
Kirchtürme und die dunklen Flecken der
Laubmassen, der Gärten als eine Bereiche-
rung der edlen Form der Seeküste emp-
finden müssen. Natürlich immer wieder
mit der Einschränkung, dafs es Kulmina-
tionspunkte bleiben müssen, diemitStrecken
der Einsamkeit abwechseln.

Das hier Gesagte waren ja eigentlich
beinahe Selbstverständlichkeiten; es sollte ^b. ^

uns auch nur in den Gedanken hin-
geleiten, dafs eine jede Lgute menschliche Anlage, wenn heute vor dem blofsen Worte „Naturverschönerung"
sie sich harmonisch mit ihrer Umgebung verbindet, ein empfinden, rührt doch eigentlich allein von den unwürdigen
Stück Naturbereicherung bildet. Das Grauen, das wir menschlichen Leistungen her, die seit einigen Menschen-
altern unsere Erde zu entstellen anfangen. Und zwar in
beiderlei Sinn: sowohl bei den Werken, die in der guten
Absicht zu schmücken und zu verschönern, aber mit un-
zulänglichem Vermögen entstehen, wie bei den Werken,
bei deren Gründung nicht der Schmuckwert die Veran-
lassung bildet, sondern die zur Befriedigung unserer mensch-
lichen Bedürfnisse dienen. Merkwürdigerweise sehen wir
hier, dafs bei fast allen älteren Anlagen wie von selbst
beide Zwecke erreicht werden. Das Werk dient nicht
allein seinem Hauptzweck, sondern es verschönt zugleich,
halb ohne es zu „wissen", die umgebende Natur. Werfen
wir einen Blick auf irgend eine der zahlreichen Gegen-
überstellungen von Gut und Schlecht, wie ich sie oft im
Kunstwart gebracht habe. Bei den Gegenbeispielen wird
die Freude gering sein. Solch ein Bauwerk verschönt die
Natur nicht, aber eben nur deswegen, weil es Züge trägt,
die uns nicht froh machen, die deprimierend auf und
wirken, mit andern Worten, weil es eben häfslich ist.

Ging man früher daran, irgend ein Stück Natur zu
verschönern, so traf man mit einem bedauernswerten
sicheren Takt stets den Nagel auf den Kopf. Ich zeigte
in einem früheren Jahrgang des Kunstwarts eine Brunnen-
anlage, die ein reizendes Bild ergab (Abb. 3). Nun hatte
vielleicht mancher von diesem Bilde gesagt: Ja, schon
recht, aber das, was das Bild so reizvoll macht, ist ja
eigentlich nur das Alter und die Zerstörung. Man kann
ruhig zu geben, dafs auch das seinen gewichtigen Anteil
an der Schönheit dieses Bildes hat. Alter und Zerstörung
haben gleichsam zum drittenmal wieder einen neuen Teil
von Schönheit hinzugefügt. Erst war die Natur schön,
 
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