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Die Gartenkunst — 9.1907

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IX, 1

DIE GARTENKUNST

17

Die Jungen haben es in der Hand,

Die Jungen mit ihrem Tngendmut,

Mit ihrer Kraft, mit ihrer Glut!

Und wenn sie furchtlos festen Blicks

Hinaussehen über ihr kleines Heut'

Und über Parteigezänk und Neid . . .

Dann, glaub ich, gestaltet sichs gut, mein Freund,

Dann, glaub ich, gestaltet sich's gut!

Caesar Flaischlen.
Gerade vor zwei Jahren hatte ich mir erlaubt, in der alten
„Gartenkunst" gelegentlich der Besprechung des Schneiderschen
Buches über den Stand, über den Rückstand unserer Kunst
meine Ansicht auszusprechen. Mit den obigen Worten Flaisch-
lens hatte ich damals geschlossen. Heute stelle ich sie als
Motto an die Spitze, denn wahrlich — es gestaltet sich gut.
Der Wunsch, endlich Taten zu sehen, und nicht soviel Worte
zu wechseln, wie er damals in 'dem „verständnisvollen" Nach-
trag der Redaktion geäufsert wurde, ist ja begreiflich, aber in
unserer Kunst schwerer erfüllbar, als in jeder anderen. „Das
Wort aber ist nahenden Taten ein Herold." — Encke, Schneider,
Lange wenden sich, jeder in seiner Weise mit eindringlichen
Worten an uns. Die scharfen Angriffe gegen die Scholastik
flauen ab und positive Gedanken über das „Wie" aufrichtiger,
gesunder Gestaltung treten in den Vordergrund. Heute willichnur
eine der erwähnten Schriften zum Gegenstand einer kurzen Be-
sprechung wählen. „Der Hausgarten" von F. Encke ist ein
Buch, das mit herzlichem Dank als ein Gewinn zu begrüt'sen ist.

Den Hausgarten bezeichnet Encke im Gegensatz zum Park
als das dem Hause durchaus untergeordnete Stück Land,
welches sich dem Charakter und der Tonart des Hauses anzu-
passen hätte. Da nun die Möglichkeiten künstlerischer Form
und Ausschmückung eines Hauses unendlich mannigfaltig sein
können, so ist auch die Gestaltungsweise des Hausgartens
keiner allgemeinen Regel unterworfen. In jedem Einzel-
fall werden aber besondere Rücksichten zu nehmen sein,
welche die Gestaltungsweise bald nach dieser, bald nach jener
Richtung beeinflussen.

Einige dieser bestimmenden, aber nie feststehenden Faktoren
nennt der Verfasser (p. 14): Die Gröl'se des Grundstücks, die
Gestalt der Oberfläche, die Umgebung und Lage des Hauses,
sein Stil und Charakter, Eingänge, Fenster, innere Raum-
verteilung, alte Bäume oder Baulichkeiten, die im Grundstück
vorhanden sind, schliefslich die Geldmittel und nicht zuletzt
der dem Bedürfnis des Besitzers entsprechende Zweck des
Gartens, — alles dies sind Dinge, die bei der Einrichtung des
Gartens mitzusprechen haben. Man mufs sie hören — man
mufs aber auch ihre Sprache verstehen. Das ist die erste Be-
dingung, um ihren bestimmenden Einfluss mit künstlerischem
Takt zu verstärken oder durch Gegenmittel zu dämpfen. Es
ist selbstverständlich, dafs in jedem einzelnen Fall mindestens
einer, meist aber mehrere dieser Faktoren sich ändern, wodurch
die dem Künstler gestellte Aufgabe und somit auch die Lösung
derselben jedesmal eine andere wird. Sinnlos und ver-
werflich ist jede schematische Behandlung des Gartens, die
sich den bestimmenden Einflüssen jener Faktoren verständnislos
oder rücksichtslos entzieht. Des Verfassers weitere Ausführun-
gen über die mannigfaltigen Möglichkeiten künstlerischer Ge-
staltung je nach der wechselnden Konstellation jener Faktoren,
deren Vorzüge er geschickt auszunutzen weifs, deren störende
Mitwirkung er zu unterdrücken versteht, berechtigen ihn zu
dem Ausspruch: „Ich glaube, hiermit ist auch die Frage gegen-
standslos geworden, ob die Hausgarten streng architektonisch
oder in zwangsloser Anordnung gestaltet werden müfsten.
Nicht Regeln und philosophische Erörterungen sollen meines

Erachtens die Gestalt des Hausgartens bestimmen: seine Eigen-
art soll vielmehr durch die Bedürfnisse und Wünsche des
Bauherrn festgelegt werden, welche durch die örtlichen Ver-
hältnisse und durch die Erfahrung des zu Rate gezogenen
Gartenkünstlers ihre Beschränkung erleiden." — Freilich ist
dadurch dem Schematiker ein Anhaltspunkt entzogen, an den
sich in neuerer Zeit ein Dogma kristallisieren wollte. Es ist
dankenswert, dafs Encke diese Stütze zerbricht und sich auf
den freien künstlerischen Standpunkt stellt, jeden Einzelfall
als besondere Aufgabe anzusehen, deren Lösung durch
künstlerisches Erfassen der besonderen Umstände und dem-
gemäfs durch freie Selbstbeschränkung zustande kommt. So-
viel über den allgemeinen Teil, der im Rahmen des oben
Gesagten eine Fülle sehr beachtenswerter Gedanken birgt, die
oft nur durch einige WTorte angedeutet sind oder gar —
wie fast immer bei Schriften, die sich an das Empfinden
wenden — zwischen den Zeilen gelesen sein wollen. Ganz
besonders ist das der Fall im zweiten Teil des folgenden
Kapitels über die Bepflanzung. Nachdem dort die Gehölze
als plastisches Baumaterial mit Licht- und Schatten-, Form- und
Farbenwirkungen, allgemein besprochen worden sind, geht der
Verfasser auf die Niederflora ausführlicher ein und schildert
die Verwendungsmöglichkeiten der Stauden, der einjährigen
Kräuter und Schlingpflanzen im Hausgarten. Je nach der
Tonart des Gartens bevorzugt er die regelmäfsigen Blumen-
rabatten, warnt vor unvorsichtiger Zusammenstellung, in der
die eine Blume die andere in der Wirkung stört, räumt dem
Teppichbeet nur in seltenen Fällen Daseinsberechtigung ein, —
dann wieder wird die Schlingpflanze als wichtiger, leider so
oft verständnislos angewandter Schmuck behandelt und schliefs-
lich folgt ein Abschnitt, bei dem der Verfasser sich offenbar
auf Widerspruch gefafst macht. Er sagt (p. 49): „Mancher
Leser wird vielleicht einen Widerspruch darin finden, dafs ich
für den Hausgarten die architektonische Gestaltungsweise
bevorzuge und gleichzeitig den Vegetationsbildchen das Wort
rede." — Man lese dort selbst weiter und urteile dann selbst.
Ich für mein Teil stimme darin Encke durchaus bei und weifs
aus eigener Erfahrung, aus meinem früheren Garten auf dem
Lande, wie sich regelmäfsige Anlage der Wege, Sitzplätze mit
Gartenmöbeln — kurz gemütliche Wohnungsbehaglichkeit mit
solchen „Vegetationsbildchen" vereinigen läfsfc. Wohlgemerk:
vereinigen „läfst". Damit ist nicht gesagt, dafs es überall
zulässig ist; ja wohl nur in seltenen Fällen. Und es ist auch
nicht mal gesagt, dafs, wenn man die von Encke genannten
Gewächse hinpflanzt, ein „Vegetationsbildchen" entsteht. Dazu
gehört viel Naturstudium und zwar liehevollstes Natur-
studium. Was als sogenannte „Alpenpartien" und „Natur-
szenerien" in Vorgärten geboten wird, wo hohe Quarzblöcke
auf umgegrabenen Beeten wie ein campo Santo angeordnet
sind und ein Staudensortiment einer Handelsgärtnerei wohl-
gesäet zwischen gepflanzt ist, solche ekelhafte Albernheiten,
die sich mancher „gebildete" Grofsstädter heute noch von
seinem Hofgärtner hinzaubern läfst, und ich fürchte — sogar
selbst Gefallen daran findet ■— diese meint Encke natürlich
nicht. Seine anziehenden Bilder auf p. 53, 54, 55, 56 bewahren
ihn vor solchem, doch vielleicht möglichen MiCsverständnis,
Man denke sich nun an den reizvollen Szenerien, die auf den
genannten Seiten abgebildet sind, einen gradlinigen horizontalen
Weg vorbeiführend und einen rechteckigen, etwa 3 X 5 m
grofsen, sauber gehaltenen Kiesplatz in den natürlich gestalteten,
höher gelegenen Boden hineingeschnitten. Mit seinen Farn-
kräutern und Moospolstern, Heidelbeeren, Glockenblumen,
Fingerhut und Waldmeister; ja sogar mit seinen trocknen ab-
geblühten Gräsern und Staudenfruchtständen beginnt das
 
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