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Die Gartenkunst — 9.1907

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18 DIE GARTENKUNST IX, 1

Waldterrain gleich an der Grenze des Platzes. Man hüte sich,
viel daran herumzufrisieren oder „Ordnung" zu machen und
dadurch das Malerische zu stören. Nun setze man sich auf
diesem Kiesplatz in einen bequemen Gartenlehnstuhl an ein
Gartentischchen und geniefse die kleine reiche Umwelt, die
sich in jeder Jahreszeit anders schmückt und immer neue Reize
entwickelt. "Wenn die Situation dazu geeignet ist und wenn
der Besitzer des Hauses ein Blumenfreund ist und an Moos-
beeren, Anemonen und Farnkräutern mehr Freude hat, als an
zehn Geranium „Meteor", die auf geschorenem Rasen eine
Dracaene umgeben, warum soll er sich denn all dieser Freude
begeben'.' Aufrichtige Liebe und persönliche Pflege des Gartens
ist für diese Art Gartengestaltung allerdings eine condicio sine
qua non. Koketterie und geheuchelte Naturliehe können diese
wichtige Bedingung nicht vortäuschen und auch dann nicht,
wenn die „ordnende Hand" des Gärtners in ein so zartes En-
semble verständnislos dreinfährt. — Wir kommen zum Kapitel
über die Wege. Auch hier finden wir keine Regeln, sondern
Betonung des Zwecks. Der allein bestimmt die Behandlung
des Weges, seine Führung, seine Breite, seine Umgebung. Wie
in einer gut eingerichteten Wohnung jedes Zimmer auf den
ersten Blick seine Bestimmung erkennen läfst, so soll auch die
Eigenart des Weges auf den Zweck hinweisen, dem er dient.
In ganz ähnlicher Weise ist im weiteren Abschnitt die Be-
sprechung der Baulichkeiten im Garten durchgeführt. Das
Alberne und Unzweckmäßige, was sich auch auf diesem Gebiet
immer noch vielfach breit macht, ja heute noch neu entsteht,
wird mit gebührender Schärfe verurteilt — mehr aber das
Wünschenswerte durch Wort und Bild betont. Häuschen,
Lauben, Brücken, Bänke sollten in bezug auf ihre Form und
Brauchbarkeit mit mehr Sorgfalt geprüft werden. „Man braucht
sich nur den Garten als Wohnung zu denken, so wird man
leicht herausfinden, was geeignet ist, für den Garten und was
nicht." (P. 90) sagt der Verfasser und weiter (p. 91): „Je mehr
sich der Gedanke durchsetzt, dafs Garten und Wohnung zu-
sammengehören, desto selbstverständlicher wird es sein, den
Garten von Geschmacklosigkeiten freizuhalten." Hier möchte
ich doch vorsichtigerweise einen skeptischen Zusatz machen:
Ist denn die Wohnung schon frei von Geschmacklosigkeiten?
Haben wir da schon einfache Aufrichtigkeit ohne Protzentum-
Läfst sich das Publikum nicht täglich betören vom Jahrmarkts-
kram, der dem Wunsche mehr zu scheinen, als man ist, billig
seine Dienste anbietet? Wenn unsere Gesellschaft in ihrer
Gesinnung sich nicht ändert, wenn grofstuerisches Scheinwesen
— ach gar zu oft noch aufrichtigem Sein vorgezogen wird,
werden auch Haus und Garten nicht anders werden. Denn
dafs auch hier, wie in jeder Kunst die Persönlichkeit alles ist,
lätst sich aus den nun folgenden reizenden Schilderungen des
Pfarrgartens, des Hausgärtchens des Freundes und den weiteren
Besprechungen und bildlichen Wiedergaben bestehender, meist
vom Verfasser selbst angelegter Gärten deutlich entnehmen.
Wer die Wärme der Darstellungsweise Enkes, die liebevolle
Vertiefung in den Stoff, die Betonung des persönlichen Ver-
wachsenseins von Mensch, Haus und Garten hier nicht durch-
fühlt, der wird von dem Buche nicht mehr haben, als von
Gartenleitfaden, wo drin steht „wies gemacht wird". Ich halte
diese Schilderungen für den Glanzpunkt des Büchleins: sie
erinnern stellenweise an die warme, naive, kindlich-frohe Tonart,
die Heinrich Seidels Schriften so herzerfrischend durchziehen,
wenn er seine Odysseusgeschichte erzählt oder von Leberecht
Hühnchen plaudert. Ein „Referat" kann man nicht geben von
einem Herzensbekenntnis. So darf ich diesen Teil des Buches
wohl nennen — seine Sprache verrät ihn. Enckes ganzes
inneres Trachten als Gartenkünstler, in erster Linie aber als
Mensch, geht dahin, die Beziehung zwischen Mensch und Natur
zu knüpfen und zu vertiefen, weil er selbst in der Liebe zur
Natur und im Zusammensein mit ihr so viel Glück gefunden
hat, das er auch anderen zuführen will.

Doch nun zum Schlufs. Dafs die Vorgärten und die Garten-
höfe dem Verfasser weniger „liegen", weil sie ihrem Wesen
nach die wünschenswerte Wohnungsintimität nicht so zum
Ausdruck bringen können, sieht man aus den beiden letzten
Kapiteln, die trotzdem aber wichtige Fingerzeige für die Ge-
staltungsmöglichkeiten dies er mehr für die Öffentlichkeit ge-
prägten Gartenform enthalten.

So sei denn Enckes Buch allen denen warm empfohlen,
die das Aufblühen gesunder Gartenkunst nicht von neuen
Dogmen und technischer Routine erwarten, sondern von der
aufrichtigen Gesinnung, von liebevoller Beziehung zur Natur
und inniger Vertiefung in die Geheimnisse künstlerischen
Taktgefühls. W. von Engelhardt, Gartendirektor.

Willy Lange: „Gartengestaltung der Neuzeit." Unter
Mitwirkung von Otto Stalin, Königl. Reg.-Baumeister. Verlag
von F. J. Weber, Leipzig 1907.

Mit einer gewissen Erwartung ist nicht nur in Fachkreisen
dem Werk Langes entgegengesehen worden; liefsen doch seine
gelegentlichen Veröffentlichungen in Tages- und Fachblättern,
seine Äufserungen in Vorträgen und im Unterricht vermuten,
dafs er zu einer selbständigen Auffassung des gartenkünstlerischen
Problems gelangt war, und man durfte gespannt sein, wie er
sich mit der Darstellung und Begründung dieser seiner Auf-
fassung abfinden würde.

Das nun vorliegende Werk bereitet wohl nur wenigen, die
sich ernstlich mit dem neuzeitlichen Entwickelungsgang der
Gartenkunst befaCst haben und nicht zu der von manchen „Moder-
nen" geforderten grundsätzlichen Verwerfung landschaftlicher
Gartenkunst gelangt sind, eine Enttäuschung, mag man auch in
Einzelheiten anderer Meinung sein als der Verfasser. Lange ist,
wie Hoemann in seinem Nürnberger Vortrag sagte, auch ein
Moderner, aber von Jenen trennt ihn eine ganze AVeit-
anschauung. Trotzdem läfst er ihrer Auffassung volle Ge-
rechtigkeit widerfahren; denn wer sich von dem Gefühl des
Herrenrechtes nicht frei machen kann, das als Ausflul's des
menschlichen Ordnungssinnes sich des Gartens in früherer Zeit
bemächtigte und die geometrischen Kunstgärten schul', mit ihnen
geköpften Bäume, geschorenen Heckenwänden und in geometri-
scher Ordnung angepflanzten Blumen, dem mufs es unbenommen
bleiben, sich auch heute noch seinen Garten ganz nach seinem
Gesehmacke zu gestalten. Man darf niemandem etwas auf-
drängen wollen, was seiner Persönlichkeit nicht gleichgeartet
ist. Während aber in ältester Zeit der Mensch sich unter die
Naturgewalten beugte, später sein Herrenrecht über sie geltend
machte, stellt ihn die neue Zeit nicht unter und nicht
über, sondern in die Natur.

Diese Auffassung, welche auch der Pflanze das gleiche
Recht auf Leben und Entfaltung ihrer Art zugesteht, wie uns
selbst, kommt im Garten zum Ausdruck, wenn man der Eigenart
der Pflanzen Rechnung trägt, ihr die günstigsten Entwickelungs-
bedingungen bietet, darüber hinaus aber innerhalb der er-
mittelten Gesetze von Ursache und Wirkung nicht eine
Nachahmung der Natur, sondern eine künstlerische
Steigerung gegenüber der Natur versucht. Grundbe-
dingung dazu ist die Liebe zur Pflanze, die Liebe zu allem
Lebendigen; wer die gewonnen hat, der kann in seinem Garten-
Jeben als Persönlichkeit seiner Zeit sich ausleben.

Diese Sätze, welche das Leitmotiv des Langeschen Buches
bilden, sind mir aufserordentlich sympathisch, wie jeder, der
meine persönliche Auffassung kennt, begreiflich finden wird.

Auf einzelne Kapitel des Buches näher einzugehen, dürfte
hier wohl zu weit führen, und erübrigt sich auch, weil wohl
erwartet werden kann, dafs sich an sein Erscheinen lebhafte
Erörterungen knüpfen werden, die sich eingehend mit den
verschiedenen Teilen des Stoffes befassen werden. Einiges sei
nur liier gestreift. Im Kapitel „Planung" finden wir sehr be-
herzigenswerte Mahnungen über das Zusammenarbeiten von
Baumeister, Gartenkünstler und Besitzer, im Abschnitt über
 
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