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Die Gartenkunst — 9.1907

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DIE GARTENKUNST

IX, 1

würde, wie die gewohnten Anlagen." Der einzige Beweis, den Er hat im landläufigen Sinne überhaupt keinen Stil und
Schneider für die Richtigkeit seines Prinzips beibringt, ist der, doch hat er einen. Er hat den Stil seiner Besitzerin, er hat den
dafs es malerisch-schöne Werke der Gartenkunst gibt, die nicht Stil Gertrude Jekylls, den ausgeglichenen Stil ihrerPersünlichkeit.
auf völliger Naturwahrheit fiifsen. Ich vermute, dal's in einer Zweifelsohne ist gerade dieser persönliche Stil der richtige
2. Auflage der „Privatpark" von Schneider wesentlich anders Der eigentliche Garten ist tektonisch gegliedert, wie es
wird behandelt werden ! kaum anders sein kann, wenn man all unsere schönen Garten-
Sehr befriedigend sind die Ausführungen über „Landes- Stauden sowie die ein- und zweijährigen Florblumen ziehen
Verschönerung und Heimatschutz'', doch möchte ich den Leit- will. Es bietet diese Gartenform auch zweifelsohne in erster
satz, „dafs es meistenteils viel wichtiger ist, dafür Sorge zu Linie den GenuCs der Gartenarbeit, des Säens, Pflanzens und
tragen, dafs an Stelle des dahinschwindenden Alten etwas der Ernte, wenn es auch nur Blumenernte ist.
künstlerisch wertvolles Neues trete", nicht mitunterschreiben. Der anstofsende Wald ist langsam und geschickt in den
schon nicht in trauter Erinnerung an Alt-Nürnberg, wo wir Garten übergeleitet, die Schönheit des Waldes ist durch Ein-
alle uns köstlich über die „Reste einer uns innerlich fremden fügen geeigneter Blumen gesteigert, übrigens nicht nach öko-
Vergangenheit" gefreut haben. Druck und Ausstattung des logischen Gesetzen, sondern wieder lediglich nach dem Gefühl
250 Seiten starken Bandes sind sehr gut, von den 73 Abbildun- der feinsinnigen Künstlergärtnerin. (Gelbe Narzissen im Hain,
gen sind die meisten (auch die Gegenbeispiele) glücklich ge- Trillium im wilden Garten, Rhododendron, wo Hain und Garten
wählt und von anerkennenswerter technischer Vollkommenheit. sich treffen etc. etc.) Diese Gestaltungsweise von Gertrude
Werden auch demjenigen, der die neuzeitliche Literatur Jekyll erscheint mir wieder ein überzeugender einwandfreier
verfolgt und unsere letzten Vereinsversammlungen aufmerksam Beweis für die Berechtigung der landschaftlichen Gestaltungs-
besucht hat, nicht gerade neue, welterschütternde Offenbarun- weise. Mit welchen Zaubermitteln bannt Gertrude Jekyll
gen im Schneiderschen Buche verkündet, so sei's doch noch- überall im Wald und Garten die Schönheit. Der Leser wird's
mals als ein sehr beachtenswertes Bekenntnis eines energisch wohl schon ersehen haben. Zunächst also ist es ein fein aus-
vorwärts strebenden Künstlers und Kritikers rühmend empfohlen. gebildetes künstlerisches Gefühl, welches die Schönheit der
Gertrude Jekyll: „Wald und Garten." Praktische Pflanzen im einzelnen, sowie in der Zusammenstellung mit
und kritische Anmerkungen eines arbeitenden Amateurs. Aus anderen also in der geeigneten Verwendungsart klar erkennen
dem Englischen übersetzt von Gertrud von Sanden, Verlag von läl'st, es ist ferner eine umfassende Sach- und Pflanzenkenntnis,
J ulius Baedeker, Leipzig. 1907. und dann das Prinzip, jede Arbeit zur rechten Zeit mit peinlichster

Auf der Nürnberger Hauptversammlung der D. G. f. G. im Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit auszuführen.
August d. J. streifte ich in meinem Vortrage die englische Alles dies verbindet eine reine Liebe zum Garten in einer
Gartenkunst und sagte unter anderem „der Engländer hat eine lebensfrohen Arbeitsfreudigkeit. Diese Zaubermittel sollten im
wahrhaftige Liebe zur Gartenkunst; in Verwendung der Blume unveräufserlichen Besitze jedes Gartengestalters und jedes
im Garten, insbesondere der Staude ist er Meister". Gartenbesitzers sein, dann wird das Werk schon werden. Beob-
Gleichsam wie eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser achte man z. B., wie Gertrude Jekyll ihre Rhododendron
Ansicht erscheint mir ein soeben im Buchhandel (Verlag von pflanzt. Ein Jahr vor der Pflanzung besucht sie während der
Jul. Baedeker, Leipzig) erschienenes Werk „Wald und Garten". Blütezeit die besten Gärtnereien, beobachtet sorgfältig Farbe,
Die Verfasserin ist Gertrude Jekyll, eine bekannte englische Art und Zeit der Blüte etc. Dann aber stellt sie als Ergebnis
Gartenschriftstellerin, die nach mehr als dreifsigjähriger Praxis ihrer Beobachtung mit dem Endziel der malerischen Wirkung
ihre Ansichten über den Garten in einfach, schlichter, er- ihre Gruppen zusammen. Sie benötigt zu der einen Gruppe
zählender Form niederlegt. Übersetzt ist das Buch von Gertrud vielleicht 40 Pflanzen, aber nicht etwa in 10 Sorten, auch
v. Sanden. Ja, eine wahrhaftige, tiefe Liebe zu Garten und nicht in einer Sorte, nein, vielleicht 10 von einer Sorte, dann
Wald weht einem aus jeder Zeile dieses Werkes entgegen. 2—3 mal fünf von je einer anderen Sorte, ein paarmal 3 und
Gertrude Jekyll ist die Besitzerin eines in England als vor- dann noch ein paar einzelne Exemplare. Die Farbe ist dabei
bildlich geltenden Gartens. Durch diesen Garten und den an- leuchtend scharlachrot über rosa in weifs übergehend oder in
stofsenden Wald führt uns die Verfasserin zu jeder Jahreszeit, einer anderen Gruppe, ein in den besten Tönen sorgfältig aus-
zu jeder Stunde des Tages. gesuchtes lila, welches über purpur nach und nach in weil's
Ihr selbst ist der Garten ein Ort der Rast, der Zurück- ausklingt. Dabei steht die lila, purpurne Gruppe fein be-
gezogenheit der stillen Beobachtung, er ist ihr Studierzimmer, rechnet im Schatten, die scharlachrote aber in der prallen
ihr Wohnraum im Freien. Diese W7orte sind hier aber wohl- Sonne. Also feinste Harmonie in Farbe, Massenverteilung und
gemerkt nicht Theorie, es sind hier goldene Worte des Lebens. Form. Wer von uns geht mit ähnlicher Sorgfalt zu Werke .'!
Möchten Gartenbesitzer und Gartengestalter von dieser Dame Oder ein anderes Beispiel, „die mit gemischten Stauden be-
lernen und zwar zuerst, wie man seinen Garten, seine Pflanzen pflanzte Blumenrabatte". „Nichts ist so schwierig, wie das
und Blumen lieben kann und soll. Ohne diese Liebe kann Bepflanzen einer solchen Rabatte und die Aufgabe, sie während
kein Garten jene Schönheit erlangen, welche Gertrude Jekylls des ganzen Sommers schön zu halten. Gertrude Jekyll zeigt
Garten zu eigen ist. Möchten recht viele erkennen, wie un- wiederum wie's gemacht werden kann (nie will sie zeigen,
endlich viel und mannigfaltiges Geniefsen köstlicher Schönheit wie's gemacht werden mufs). Möchten recht viele hier lernen,
Garten und Wald dem Sehenden, dem Erkennenden bieten. wie die Farben zum vollen Akkord, die Akkorde zur reinen
Des weiteren aber möge der Leser lernen, wie man diese Harmonie zu verbinden sind. Trotz all dieses ausgeprägton
Gartenliebe praktisch betätigen kann. Manch nützlicher Wink Farbensinnes fühlt Gertrude Jekyll nie mit der Farbe allein,
in anregender Form wird hier erteilt, sowohl nach der künst- nein, immer mit der ganzen, lebenden Pflanze. Doch genug der
lerischen, als nach der praktischen Seite hin. Als ich das Beispiele, man lese selbst, man urteile selbst und handle in
Buch las, da liels ich mich gerne von der praktischen Künstler- ähnlicher Auffassung wie diese Künstlergärtnerin. Dem Werke
gärtnerin fuhren, die in schlichte Worte, dabei aber so lebenswarm aber möchte ich weiteste Verbreitung wünschen, möchten seine
und so anmutig ihre Erfahrungen und Auffassungen mitzuteilen Anregungen recht manchen veranlassen, sich in die wunder-
versteht. Lebhaft streitet man heute über die Art der Garten- reiche Gartenwelt liebevoll zu vertiefen. Jedem, der's tut,
gestaltung, hier „architektonisch" dort „landschaftlich" ist das wird der Garten eine Quelle reiner, schöner Freuden sein und
Losungswort. Die einen nennen dies die höhere Entwickelungs- bleiben.

stufe, die anderen jenes. Wie ist nun der Garten von Gertrude Düsseldorf im Dezember 1006.

Jekvll, welchen Stil hat dieser als vorbildlich bezeichnete Garten. R. Hoemann.

Für die Redaktion verantwortlich: Stadt-Gartendirektor Heicke, Frankfurt a. M. — Verlag von Gebrüder Borntraeger, Berlin SW. 11,

Dessauer Strasse 29. — Druck von A. "W. Hayn's Erben, Potsdam.
 
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