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Die Gartenkunst — 9.1907

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Bernhard, Otto: Gärtner oder Künstler: Unmaßgebliche Meinungen eines Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0074

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68 DIE GARTENKUNST IX, 4

augenblicklich in einer Zeit der Krise. Die kunstgewerb- Technik besitze, nicht aber die künstlerische Veranlagung
liehe Bewegung, die, aus kleinen Anfangen heraufgewachsen, und Erziehung, die erforderlich sei, um Kunstwerke hervor-
in einer fast unglaublich kurzen Zeit unser ganzes Leben zubringen. Und es gelang ihm, eine Reihe so krasser, so
mächtig ergriffen hat, und im Begriffe ist, es von Grund vernichtender Beispiele ästhetischen Unverstandes aus
auf umzugestalten, hat auch gegen den Gartenbau, wie er Gartenanlagen, die von Gärtnern geschaffen worden waren,
noch vor 5 bis 6 Jahren war, und seine alteingewurzelten anzuführen, daß nicht wenige seine These für glatt be-
Prinzipien Sturm gelaufen. Künstler haben Entwürfe zu wiesen hielten. Der Kampf tobt noch heute. Und wie
Gärten gezeichnet und auch in die Wirklichkeit übersetzt. bei jedem Prinzipien- und Existenzkampf, denn ein solcher
Es gibt heute kaum noch eine größere Kunstausstellung, ist er letzten Endes, streitet man sich vielfach um ganz
in der nicht auch Gärten vorgeführt werden, und kaum nebensächliche Dinge. Modefragen, ob man die Wege ge-
noch einen namhaften Architekten, der, wenn er den Auf- rade oder krumm machen solle, ob nur rechtwinklige oder
trag zu einer Villa oder ähnlichem erhält, sich nicht auch auch geschweifte Linien zulässig seien usw., treten in den
die Aufsicht über die Anlage des dazu gehörigen Garten- Vordergrund und verdecken den großen Leitsatz, um dessen

Erkenntnis der
Kampf überhaupt
nur kämp fens wert
ist: Erlaubt ist
alles, was einen
Sinn hat, ver-
boten nur die
Gedankenlosig-
keit. Selbst die
Stimme der rück-
sichtslosen Leiden-
schaft, des Hasses,
der keine Gründe
hören will, ist hier
und da vernehmbar.
Die Gemüter sind
eben zu bewegt, um
sich den freien
Blick über das ganze
Schlachtfeld in je-
dem Augenblick be-
wahren zu können.

Wer hat nun
Recht? Meiner An-
sicht nach keiner

grundstückes vorbehielte. Dieser Invasion des Künstler- und beide. Wie jode Handwerkskunst sich nur gesund
tumes mußte sich der Gärtner natürlich mit aller nur ver- entwickeln kann, wenn sie auf den festen Grund der hand-
fügbaren Kraft entgegenstemmen; das war im Grunde werklichen Technik aufgebaut und aus ihr herausgewachsen
eine Pflicht der Selbsterhaltung. Das Argument, das seine ist, so ist es auch mit der Gartenkunst, denn die Gartenkunst
Hauptwaffe bildete, war der Vorwurf gegen den Künstler, ist eine Handwerks- oder wie man heute es vornehmer aus-
daß er sich anmaße, mit einem Material zu arbeiten, das zudrücken glaubt, eine angewandte Kunst. Ebenso wie
er gar nicht kenne, von dessen natürlichen Lebensbe- wir meiner Meinung nach auf die Dauer keine moderne
dingungen er keine Ahnung habe. Der Künstler, dessen Möbelkunst erhalten werden, wenn es nicht gelingt, künst-
Leben im allgemeinen damit ausgefüllt sei, Architekturen lerisch schaffende Handwerker heranzubilden, so können
zu bauen. Möbel zu zeichnen oder gar Bilder zu malen, wir auch nur vom Gärtner, nicht vom Künstler, eine
und dem nur vorübergehend die Laune danach stände, Gartenkunst der Zukunft erhoffen. Entwickelungen voll-
auch einmal einen Garten zu entwerfen, der kenne die ziehen sich immer nur in ansteigender Linie von unten
Pflanze ja nur gewissermaßen vom Sonntagnachmittag. nach oben, das lehrt die Geschichte. Bewegungen von
Der Gärtner aber sei vertraut mit ihr von Jugend auf und oben nach unten entbehren der Basis und verflattern da-
lebe mit ihr alle Tage auf du und du wie mit einem alten her im Wind. Eine andere Frage ist es aber, ob der
Freund sein Leben lang; er allein wisse, wie sie behandelt Gärtner heutzutage imstande ist, etwas hervorzubringen, das
sein will und was für sie angemessen ist, was nicht. Er auch künstlerischen Ansprüchen genügt. Und da sage ich:
allein habe daher auch das Recht, sie zu verarbeiten zu in den meisten Fällen nein. Die Tatsache allein, daß eine
höheren Werken der Kunst. Auf der anderen Seite hielt von Künstlern betriebene Gartenkultur entstehen und Boden
der Künstler entgegen, daß der Gärtner allerdings die gewinnen konnte, beweist meines Erachtens, daß der

Chr. 0. Berz-Stuttgart, Entwurf zu einem Haus- und Obstgarten (Schaubild).
 
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