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Die Gartenkunst — 9.1907

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Bernhard, Otto: Gärtner oder Künstler: Unmaßgebliche Meinungen eines Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0076

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70 DIE GARTENKUNST IX, 4

und mit historischen Analogien nicht ohne weiteres lös- führen wären, wäre zu erörtern, welchen Paktoren der
baren Problemen immer etwas Erfreuliches zu leisten. Künstlei' sich im einzelnen Falle gegenüber befunden hat,
Man vergegenwärtige sich nur einmal, welche Schwierig- welcher Landschaft, welchen Boden-, Wasser- und klima-
keiten die so häufige Form eines quadratischen, rings von tischen Verhältnissen, welcher vorhandenen Architektur,
Häusern begrenzten Platzes, der durch zwei sich kreuzende welchen gesellschaftlichen Sitten und welchen speziellen
Straßen in vier Dreiecke zerlegt wird, der gartenkünst- Wünschen seines Auftraggebers er Genüge tun sollte und
lerischen Anlage entgegenstellt. Oder die schmalen Ring- wie er sich nun damit abgefunden hat. Es wären also
anlagen, wie sie in zahlreichen Städten aus den alten Be- fortgesetzt Ausblicke auf die Kunst, die Sitten und die all-
festigungen entstanden sind! Da ist es also mit einer rein gemeine Kultur der Zeit zu geben, immer der innere Zu-
gärtnerisch-technischen Vorbildung nicht getan. Und da sammenhang der Gartenkultur einer bestimmten Epoche
möchte ich mir nun den Vorschlag erlauben, ob nicht mit ihrer gesamten Geisteskultur im Auge zu behalten und
vielleicht die Gründung einer Art von „Gärtnerakademie" auf dieser Grundlage nun eine Kritik aufzubauen, was

vom Alten auch in der Gegenwart noch
lebensfähig ist, was nicht, indem als Gründe
für eine die Lebensfähigkeit verneinende
Antwort nur Veränderung der tatsächlichen
gegebenen Umstände und Bedürfnisse,
eine Umwandlung der künstlerischen oder
sittlichen Anschauungen und der sozialen
Verhältnisse anerkannt werden könnten.
In vorgeschrittenerem Stadium wären den
Schülern Pläne vorzulegen, die sie selbst
in freier Diskussion kritisch zu beleuchten
hätten. Exkursionen zu den erhaltenen
alten Anlagen in Deutschland und Stipen-
dienreisen für besonders Begabte nach den
großen Mustern Prankreichs und Italiens
wären die notwendige Ergänzung. Damit
ist es aber nicht genug. Eine eingehende
Beschäftigung mit den anderen Künsten
halte ich für ebenso erforderlich, nament-
lich mit der Architektur, mit der der
Gartenkünstler ja beständig zusammen-
arbeiten muß und deren Grundprinzipien
ihm daher völlig vertraut sein sollten. Das
Studium der Malerei würde sich als gutes
Mittel erweisen, ein feineres Farbengefühl
zum Ziele führen könnte, sei es von seilen des Staates, auszubilden, über das derjenige, der mit einem so
sei es von seiten eines privaten Interessentenvereins, sei farbigen Material arbeitet, wie der Gartenkünstler, auch
es in Form des Ausbaues einer bereits bestehenden An- verfügen sollte. Auch hier wäre mit der theoretischen
stalt. Vielleicht würde es sich empfehlen, das zu gründende Vorlesung die praktische Museumsführung zu verbinden.
Institut an eine Universität oder Forstakademie anzugliedern, Alle Einzelheiten dieses Planes auseinanderzulegen, kann
ebenso wie man beispielsweise die kgl. Versuchswerkstätten nicht die Aufgabe dieses Artikels sein. Der ganze Vor-
für Kunsthandwerk in Stuttgart an die Polytechnische schlag ist ja, wie gesagt, nicht mehr als ein Gedanke, der
Hochschule angegliedert hat. Das würde wohl den Vorzug Gedanke eines Laien, den anzunehmen oder zu verwerfen
haben, die freie akademische Luft in die Anstalt hinein- ich dem berufenen Urteil von Fachleuten überlassen muß.
wehen zu lassen und der fachmännischen Beschränkung Ich gebe zu, daß es fraglich bleibt, ob mit einer solchen
und Beschränktheit entgegenzuwirken. Denn was diese Akademie alles erreicht würde, was wünschenswert ist.
Akademie zu leisten hätte, wäre gerade allgemeine ästhe- In letzter Linie hängt ja doch alles von der persönlichen
tische Erziehung, nachdem sich ihre Zöglinge die Fach- Beanlagung ab und Talente kann man nicht anerziehen,
bildung bereits vorher auf anderen Anstalten oder in der Deshalb aber jede Erziehung als überflüssig zu bezeichnen,
Praxis angeeignet haben. Der Lehrplan hätte vor allem wäre in der umgekehrten Richtung zu weit gegangen,
die Geschichte der Gartenkunst zu enthalten und zwar Man wird auch fragen, welche materiellen Vorteile der
nicht in trocken schematischer Weise, die in dem Schüler Zögling, der für den Besuch der Anstalt doch jedenfalls
ja nur den Eindruck erwecken kann, als handle es sich erhebliche Geldopfer bringen müßte, sich davon ver-
um einen alten Zopf, sondern möglichst praktisch und sprechen düifte. Natürlich wird man den Besuch der
lebendig behandelt. An bestimmten Beispielen, die dem Akademie zunächst nicht obligatorisch für die höhere
Schüler durch Pläne und Photographien vor Augen zu Karriere in der Gartenkunst machen dürfen, jedoch glaube

V. Kiclil-Poscn: Aus Golenliofer; 1.
 
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