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Die Gartenkunst — 9.1907

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Heicke, C.: Der alte Park zu Bad Nauheim 1857 - 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.22777#0117

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IX, 6

DIE G-AK TEN KUNST

111

Aus deutschen Gärten und Parkanlagen.

I. Der alte Park zu Bad Nauheim 1857-1907.

Von Heicke, Frankfurt a. M.

Es mag nicht oft sie mit schnellfertigem Urteil zerpflückt, nachdem kaum

vorkommen, daß die die ersten Grashalme gekeimt sind. Wenn der Maler

Pflege einer Parkanlage nach Vollendung eines Bildes den Pinsel aus der Hand

vom ersten Entstehen legt, der Baumeister seinem Bauherrn den Schlüssel des

an ein halbes Jahr- Neubaues übergibt, dann sind ihre Werke fertig! Sie

hundert hindurch dem- können durch die Patina der Zeit noch gewinnen — aber

selben Hause anvertraut sie sind fertig! Die Kritik kann einsetzen und ihr Urteil

bleibt, wie es bei dem sprechen.

alten Nauheimer Kur- Wie ganz anders beim Garten und Park. Da wird

park der Fall ist. Seine über die „Tännchen" und „Pflänzchen" und „Grüppchen"

Anlage wurde im Jahre und manches andere gewitzelt und gespöttelt und leicht-

1857 von Heinrich fertig darüber hinweggesehen, daß diese „Tännchen"

Siosmayer begonnen Tannen, diese „Pflänzchen" Bäume werden sollen, daß sie

und innerhalb zweier erst in das richtige Verhältnis zu den Flächen hin-

Jahre beendigt; er hat einwachsen müssen, daß sie, die heute wegen ihrer

sich bis zu seinem Kleinheit nur Unruhe in das Bild bringen, erst nach Jahren

Lebensende der Weiterentwickelung seiner Lieblings- zu raumbildenden Massen herangewachsen sein

Schöpfung mit großer Hingabe gewidmet, und in seinem werden und daß dann erst vielleicht die großgedachten

Sinne wird sie seither von den jetzigen Vertretern des Bilder dem Beschauer vor Augen treten, die der Urheber in

Hauses Siesmayer, insbesondere seinem ältesten Sohn seinen Phantasien erschaut hatte. Vielleicht! Wenn eben

Philipp Siesmayer, pietätvoll weitergepflegt. in seinem Sinne die Pflege der Anlage geleitet werden

Ich sage, ein solcher Fall mag nicht oft vorkommen, konnte, wenn rechtzeitig und sinngemäß diejenigen Maß-

Viel häufiger tritt der Fall ein, daß ein für seine Kunst nahmen getroffen werden, die die Entwickelang im Sinne des

begeisterter Jünger der Landschaftsgärtnerei an eine große Schöpfers fördern könnten, wenn insbesondere auch die

Aufgabe, die sich ihm in jungen Jahren bietet, sein bestes Zutaten allmählich beseitigt worden sind, welche der An-

Können gesetzt hat, dann aber, kaum daß der letzte läge nicht für die Dauer eingefügt wurden, sondern nur,

Spatenstich getan ist, zuschauen muß, wie das Werk in um sie in ihrem Jugendstand nicht gar zu unfertig und

andere Hände übergeht und bei seiner weiteren Pflege dürftig erscheinen zu lassen.

die Gedanken, welche ihn, den Schöpfer der Anlage, ge- Man wird daher leicht verstehen und begreifen, daß

leitet haben, verständnislos unbeachtet gelassen werden Siesmayer es als eine Schicksalsgunst betrachtete, daß

so daß das Werk eine ganz andere Entwickelung nimmt, er noch mehrere Jahrzehnte hindurch seine Nauheimer

als dem Urheber beim Entwerfen vorgeschwebt hat. Schöpfung pflegen, und als die Zeit kam, wo er es nicht

Mit der sogenannten Fertigstellung einer Anlage ist mehr konnte, ihre Pflege einem Mitarbeiter und Nachfolger

ja nicht viel mehr getan, als daß die Übertragung des überlassen durfte, der in seinem Sinne herangebildet war.

Planes auf das gegebene Gelände beendigt ist. In den Der Nauheimer Kurpark ist eine Anlage, in die ihr

weitaus meisten Fällen ist damit erst der Anfang der Schöpfer sein Bestes hineingelegt hat. H. Siesmayer war,
Gartenschöpfung gemacht, es ist die Grundlage geschaffen,
auf der sich das vom Planverfasser beabsichtigte Bild ent-
wickeln kann. Ob es das wirklich tun wird, hängt von
sehr vielen Umständen und Zufälligkeiten ab; es bedarf
fortgesetzter Eingriffe und Nachhilfen und vor allem einer
Pflege, die sich eng an die den ersten Entwurf bestimmenden
Gedanken hält, um das Ziel zu erreichen. Je länger
die Zeitdauer ist, innerhalb der der Planverfasser seine
junge Schöpfung selbst überwachen kann, um so er-
freulicher ist es für ihn und um so besser für das Werk.

Es sind das Dinge, die schon oft gesagt sind und
jedem Landschaftsgärtner selbstverständlich erscheinen.
Wenn ich sie bei dieser Gelegenheit wiederhole, so ge-
schieht es, weil wir gar zu oft heutzutage die Wahr-
nehmung machen müssen, daß in vollständiger Verkennung
des Wesens der Landschaftsgartenkunst und ihrer Auf-
gaben die Kritik über unsere Schöpfungen herfällt und Gruppe der neuen Verwaltungs- und Badehäuser zu Bad Nauheim.
 
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