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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 1.1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.6336#0128

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bern lange genug in Ungnade gestanden. Schön ist, wie
es bei Waetzoldt nicht anders zu erwarten war, die dem
„Bildnis" gewidmete Partie. Auf die verschiedenen Er-
klärungen des Meerwunders und der Melancholie ist
wohl allzu ausführlich eingegangen, da wurde augen-
scheinlich der Rahmen des Volksbuches etwas über-
schritten. Schade ist, daß im Kapitel „Phantasie"
nicht die höchst merkwürdige Stelle über Dürers Ent-
rücktheit während eines Turniers im Widmungsschreiben
an Ulrich Varnbüler, das Wilibald Pirckheimer seiner
lateinischen Ausgabe von Lucians Dialog „Navis seu
vota" (Nürnberg 1522, Friedrich Peypus) voraus-
schickt, zitiert wird. Anton Springer hat die Stelle
bereits in seinem Dürerbuch (S. 93) mitgeteilt, aber
in nicht ganz richtiger deutscher Ubersetzung. Sie
folgt daher hier im lateinischen Original: „Accipe
Holderice amantissime [i. e. Ulrich Varnbüler] nugatoris
Luciani fabulas ridiculosas, non absimiles illis, quas
nobis communis amicus noster Albertus Durer nuper
referebat, dum ex aedibus nostris bellica intueremur
spectacula ac omnia tubis, armis, clamore et hastarum
perstreperent fragore; iis enim quandoque non secus
ac suavissimo alicui somnio ita involvi dicebat, ut,
si res ipsae cogitationibus responderent, vel beatis-
simus videri posset, . . . ." — Dieser Zug und das
„Traumgesicht" von 1525 (L. 423) scheinen mir für die
Erkenntnis Dürers ebenso wesentlich zu sein, wie es
für die Goethes etwa die Vision ist, die er hatte, als
er als junger Mensch Sesenheim verließ, und dann
zwölf Jahre später, 1783, die ahnungsvolle Wahrneh-
mung des Erdbebens von Messina.

Und nun einige Bemerkungen und kleine Richtig-
stellungen, die sich mir bei der Lektüre in die Feder
drängten:

S. 12. Über Dürers Herkunft ist das letzte Wort noch
nicht gesprochen. Edith Hoffmann hat auf Grund der
ungarischen Literatur 1929 in den Mitteilungen der
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, S. 48 f., fest-
gestellt, daß es um die kritische Zeit im Komitat Bekes,
wo der Geburtsort von Dürers Vater, Ajtos, liegt, keine
fremden Siedlungen gegeben hat. Dazu kommt, daß
Dürers Vorfahren, wie er selbst sagt, Pferde- und Rinder-
hirten, keine Handwerker waren. Dies und jenes darf
man doch nicht einfach in den Wind schlagen, man
sollte sich vielmehr ernstlich fragen, ob magyarisches
Blut mit Dürers kompliziertem und vielfach proble-
matischem Wesen wirklich von vornherein unvereinbar
wäre. — S. 31. Wölfflins Irrtum, daß Dürers Selbst-
bildnis mit 13 Jahren von späterer, roher Hand über-
gangen sei, wurde von mir längst richtiggestellt. (Mitt.
d. Ges. f. vervielf. Kunst, 1906, S. 64.) — S. 41 (und
Taf. II). Das Original von Tommaso Vincidors Dürer-
bildnis hat sich im 17. Jahrhundert in der Galerie von Cor-
nelis van der Geest befunden, die 1628 von Willem van
Haecht gemalt wurde. Dieses Bild aus dem Besitz von
Esmond C. Harmsworth war 1927 in London auf der
Ausstellung von flämischer und belgischer Kunst zu

sehen. (Kat.-Nr. 298.) — S. 69. Der Christophorusholz-
schnitt B. 105, im III. Zustand mit Dürers Monogramm
und der Jahreszahl 1525 versehen, ist nicht von Dürer.
(Vgl. Dodgson, Cat. of early Germ, and Flem. woodcuts,
Vol. I, S. 356, Nr. 19 und 19 a.) — S. 73 (und 196). Daß
die Pest als Anlaß für Dürers erste venezianische Reise
höchst unwahrscheinlich ist, habe ich 1930 in den Mitt.
d. Ges. f. vervielf. Kunst, S. 59 f., anläßlich einer Be-
sprechung von Hans Rupprichs Buch „Wilibald Pirck-
heimer und die erste Reise Dürers nach Italien" zu
zeigen versucht. — S. 77. Der wilde Mann auf dem
Kupferstich B. 92 hat keinen Pferdefuß und ist daher
nicht der Teufel, sondern der Tod. Der knochige Fuß
ist bloß von Grashalmen und Bildrand so überschnitten,
daß er ein bißchen an einen Pferdefuß erinnert.— S. 106.
Der italienische Kupferstich, auf den die Hamburger
Orpheuszeichnung zurückgeht, ist nicht von Mantegna.
(Vgl. Hind, Cat. of early Ital. engravings, Text, S. 273,
Nr. 1.) — S. 122. Was Waetzoldt auf der Melancholie
für einen Kreisel hält, ist ein Tintenfaß. — S. 135. Auf
dem Abendmahl der Großen Passion, B. 5, ist der
Jünger links vorne kein „Einfall in letzter Stunde", er
ist vielmehr von allem Anfang an das kontrapostisch
wohlüberlegte Gegenstück zum Judas rechts vorne.
Aus Versehen kann nur einer der kleinen Köpfe hinten
die Zwölfzahl der Apostel auf Dreizehn erhöht haben. —
S. 186. Das Wiener Doppelbildnis von Hans Burgk-
mair und seiner Frau ist nicht die „Übermalung eines
Bildes von Hufnagel", sondern ist eine signierte Arbeit
des Augsburgers Lucas Furtenagel. — S. 265. Schäufe-
leins Vorname beginnt nicht mit einem S, sondern mit
einemH (Hans). Von ihmrührenim Teuerdank nicht 118,
sondern nur 20 Holzschnitte her und die weitaus meisten
stammen dort von der Hand Leonhard Becks. — S. 275.
Der Triumphzug hat nicht nur dem von Gottfried Keller
im „Grünen Heinrich" beschriebenen Festzug der
Münchener Künstler im Jahr 1840, sondern auch dem
von Hans Makart ersonnenen und veranstalteten Wiener
Festzug im Jahr 1879 als Vorbild gedient. — Abb. 49.
Die Zeichnung stellt keinen Unbekannten, sondern, wie
Dörnhöffer gefunden hat, Maximilians I. rühmlichst
bekannten Hofmusicus Paulus Hofhaimer dar.

Die Abbildungen sind im allgemeinen vorzüglich aus-
gewählt. Nur das kuriose Relief mit dem Zweikampf von
Dürer und Lazarus Spengler (?, Taf. III) hätte meiner
Meinung nach weggelassen werden können. Auch der
Neureutherische Dürer (Taf. IV) wäre wohl besser fortge-
blieben. Mit gleichem Recht hätte Switbert Lobissers
markiger Dürerholzschnitt vom Jahr 1928 (Graphische
Künste, Taf. nach S. 32) abgebildet werden können. Es
war eine gute Idee, die Holzschnitte als Strichätzungen
in den Text und auf dessen Papier drucken zu lassen.
Nur sind gerade diese Klischees nicht immer so gut
ausgefallen wie die „Bogentiefdrucke". Gut, das Buch
ist nicht vorwiegend für die Kunsthistoriker bestimmt,
immerhin wurde aber wenigstens im Text bei den Zeich-
nungen die Lippmannzahl angegeben. Da hätte doch

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