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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0062

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Torgau. Leipzig. Dresden. Weimar

vorschwebten. In der Mehrzahl entsprechen diese Wirkereien, mit kämpfenden Gruppen
oder den in endloser Folge aufziehenden Kriegskolonnen ausgefüllt, wenig den Anforderun-
gen eines Bildteppichs, ganz abgesehen davon, daß Kurfürst Moritz kein Jan Vermeyen als
Patronenmaler zur Verfügung stand. Auch das „Contrafect Doctor Marttinuß Lutterß", so-
wie die bekannte Arbeit Meister Segers, die Darstellung Kaiser Karls, finden wir wieder.
Zweifelhaft erscheint es, inwieweit die verschiedenen Wappenteppiche Hohenmuel oder
Bombeck zuzuschreiben sind. Am Schlüsse des Inventars werden die Torgauer Bildteppiche
mit den Indianischen (Calcunischen) Hühnern genannt.

d) Erhaltene Arbeiten Hohenmuels und Bombecks.

Das Fragment in der königlich schwedischen Sammlung fand bereits als Erzeugnis der
Hohenmuelschen Manufaktur Erwähnung. Deutschen, wahrscheinlich Torgauer Ursprun-
ges, ist die im Tafelband des I. Teiles der „Wandteppiche" (Abb. 148) wiedergegebene
Elefantenjagd (Wolle und Seide, H. 2,65 m, L. 3,82 m), die zu dem Bestände der Sammlung
Le Roy zählte und im Entwurf an Arbeiten von Lukas Granach d. Ä. — vgl. den Einblatt-
Holzschnitt „Hirschjagd" — erinnert. Die Vorlage ist auch im flämischen Sinne stark umge-
modelt. Die ausgesprochen Brüsseler Bordüre — Frucht-Blumen-Gewinde — ist nur noch
in dem oberen Längsstreifen erhalten geblieben. J. J. Marquet de Vasselot, der Bearbeiter
des Le Roy-Kataloges (Fasz. IV. Nr. 9) setzt die Zeit der Entstehung des Wandteppichs um
1525 an; m. E. kann das Stück — Durchbildung der Flora, Bordüre usw. — nicht vor
1535—1540 entstanden sein. Das Porträt Luthers (Abb. 33a, H. 1,30 m, L. 1,08 m) befand
sich in dem Besitze des Freiherrn Dr. v. Friesen auf Schloß Schleinitz und eignet heute der
Sammlung Schloß Rohoncz.

Die Auffassung des Hintergrundes, der Waldbestand mit der Schloßanlage, wie auch die
sonstige Behandlung des Brustbildes ist verschieden von der bekannten Bombeckschen
Wirkerei Kaiser Karls (Abb. 33b). Die Bordüre ahmt in völliger Verkennung des Teppich-
charakters einen reichlich langweiligen Holzrahmen nach. Als Vorbild diente ein Cranach-
scher Stich. Die Wirkerei ist in den Lichtern reich mit Gold und Silber gehöht. Luther ist
mit braunem Talar, mit schwarzer Mütze dargestellt; in den Händen hält er ein Buch.
Naturgemäß können die Unterschiede in der Technik Hohenmuels und Bombecks nur
gering sein, ganz abgesehen davon, daß die weniger wichtigen Einzelheiten von keinem
der beiden Meister, sondern von untergeordneten Gehilfen ausgeführt wurden. Dem Mei-
ster bleiben in der Regel nur Kopf, Hände, Fleischteile sowie die reicheren Details der
betreffenden Wirkerei vorbehalten. Es ist die übliche Arbeitsteilung, die sich bereits
seit dem 15. Jahrhundert in fast allen flämischen Manufakturen feststellen läßt. Mit stärk-
stem Mißtrauen stehe ich der Überweisung der Passionsteppiche (Gemäldegalerie zu Dres-
den) an eine sächsische Manufaktur — sei es Heinrich von der Hohenmuel oder Seger
Bombeck — gegenüber. Richter fußt in seinem Aufsatze „Über die altniederländischen
Bilderteppiche"38) darauf, daß im Dresdener Inventar von 1565 die „Neun Patronen
auf Tücher gemalt, darnach die Passio gewirkt" angeführt werden. Auch Daniel Wintzen-
bergers gereimter „Lobspruch der Stadt Dresden", in dem er 1591 das kurfürstliche
Schloß besingt, ist in der allgemeinen Fassung nicht überzeugender. Ein Blick auf die
Teppiche selbst zeigt unzweideutig, daß Richters Annahmen unrichtig sein müssen. Die
älteste der sechs Wirkereien mit der Darstellung des Gekreuzigten ist eine Wiederholung
des häufig veröffentlichten Stückes der staatlichen spanischen Tapisseriesammlung. Es ist
eine typische Brüsseler Arbeit um 1515. Die drei dann zusammengehörigen Bildteppiche
mit der Anbetung der Hirten, Kreuztragung, Himmelfahrt sind sämtlich spätestens um
1530 entstanden. Die beiden letzten Passionsteppiche, das Abendmahl und eine zweite Him-

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