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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0177

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England. Die Sheldon - W e rkstätten

Eine Frau sitzt im Schatten von Birn- und Apfelbäumen auf dem Rasen des Gartens, sie
faßt mit der Rechten in den appetitlich gefüllten Henkelkorb, den sie auf dem Schöße hält.
Vor ihr steht ein flaches, geflochtenes, gleichfalls mit Früchten gefülltes Körbchen. Die
Flora verleugnet keineswegs das Brüsseler Vorbild der Judaserie.

Handelte es sich bislang um Stücke, die einem einheitlich geleiteten Atelierbetriebe (Bar-
cheston) entstammen — gewisse kleine Abweichungen sind in der Verschiedenheit des Wir-
kerkönnens begründet —, so fallen zwei heraldische Kissenblätter — gleichfalls aus Chast-
leton-House — vollkommen aus dem Rahmen. Als Mittelmotiv des ersten Stückes44) er-
scheint ein geflügelter Greif, der von der Höhe eines Felsens über die See späht. Das alle-
gorische Bild ist von einer Rollwerkkartusche gefaßt, die zweifellos auf den Zeichner der
Umrahmungen der Juda-Medaillons zurückgeht. Eine später eingefügte griechische (!) Le-
gende45) — EXQft OYK EXOMAI (Goldfäden auf blauem Grund) — unterstreicht das Mo-
tiv. Grob gearbeitete Tuchgehänge an ausgezackten Baldachins, schwere Fruchtgirlanden,
Lorbeerblätter und steinartige Gebilde füllen den Grund. In den seitlichen Bordüren erschei-
nen — in Anlehnung an die gewirkten Landkarten — Hermen und Astrolabien; die Längs-
leisten verwenden ein langweiliges Nebeneinander von baldachinartigen Gebilden und
schweren gerollten Akanthusblättern. Die Wirkerei (gegenwärtig im Besitze der Lady Bar-
ber, Culham Court, Henley-on-Thames) ist trotz der erwähnten Verbindungen mit den
frühen Sheldonschen Stücken von ausgesprochen englischer Zeichnung und einer etwas
groben und ungeschickten Technik. Zu den Meistern seines Faches gehörte der erzeugende
Wirker bestimmt nicht. Handelt es sich um Tapissiers der Manufaktur Bordesley, die nach
Erlöschen des Betriebes in Barcheston angesiedelt waren, oder um Heimarbeiter, die in
loser Fühlung mit der Barcheston-Werkstatt standen, oder um eines der kleinen, von Shel-
don subventionierten Ateliers in der Grafschaft Warwick, etwa um Shipston-upon-Stour
(William Weelie), Warwick (Nicholas Goodman) oder um eine Werkstatt der Dowler? Die
Frage bleibt zunächst offen. Zu der gleichen groben und ausgesprochen englischen Gat-
tung gehört die zweite heraldische Wirkerei im Chastleton House (jetzt im Besitze von
Colonel Henry Howard. Stone House, Worcestershire) (Abb. 124b). Das technische Können
ist nicht besser, der Entwurf dagegen wesentlich klarer und ruhiger. In der Mitte erscheint
das Allianzwappen von Walter Jones und Eleanor Pope in einem mageren Architektur-
rahmen mit dem zugehörigen Motto (unten): DVLCE PERICVLVM SEQVI DEVM. Schwere
Rosenranken und granatapfelähnliche Gebilde decken den blauen Grund, der an der rech-
ten Seite schroff abbricht und zu einem helleren Tone übergeht. Dem Wirker stand er-
sichtlich nicht die genügende Menge eingefärbter Wolle zur Verfügung; das später gelieferte
Garn zeigte eine abweichende Tönung. Es handelt sich hiernach um einen allein arbeiten-
den Tapissier — wohl einen Heimarbeiter in oder bei Barcheston, vielleicht auch im Hause
des Bestellers —, der betreffs Rohmaterialien von der Zentrale abhängig war.

Die Bordüre wechselt Frucht- und Blumenbüschel mit einem kleinen Roll wer kmotiv: in
der Mitte des Vierpasses steht eine stilisierte Blüte, die Ecken schwingen in ein winziges
Akanthusblatt aus. Das Ornament ist gleichzeitigen flämisch-brabantischen Rahmenfassun-
gen entnommen, stark vergröbert48) und eigenartig umgebildet.

Zu der gleichen primitiven Gruppe gehört ein heraldisches Kissen mit den Wappen der
Sacheverell im Besitze des Victoria and Albert Museums47). Das Hoheitszeichen, von dürf-
tigem Rollwerk gefaßt, ist einem Blütenstaudengrund aufgelegt. Die blühenden Pflanzen
— Maiglöckchen, Nelken usw. —verleugnen nicht ihre niederländische Abkunft, sie verraten
bei aller Ungeschicklichkeit der Zeichnung schon den Hang zum Stilisieren. Die Bordüre
bedient sich des Rollwerkes, verbrämt mit Früchten und Blumen, unterbrochen von den
eigenartigen, zuvor beschriebenen Ornamenten, an Stelle derrBlüte erscheinen grob gezeich-
nete Löwenmaskarons und Frauenköpfe. Die Initialen H S deutet Wace auf den 1581 ver-

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