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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0178

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England, Die Sheldon-Werkstätten

storbenen Henricus Sacheverell Primogenitus (of Rearsby) bzw. auf den jüngeren Henry
Sacheverell of Morley. Auch die Löwenmaske (namentlich als Eckmotiv der Bordüre) ist
keine englische Erfindung, sie hat in niederländischen Wirkereien ihr Vorbild48). Eine sehr
nah verwandte Bordürenlösung zeigt ein figürlicher Millefleursteppich, von dem — um die
Einheitlichkeit der Zusammenfassung nicht zu erschweren — erst später die Rede sein
wird.

Die primitiven Halbfiguren (Engel?) in den Seitenbordüren und die Vögel neben dem
Sacheverell-Wappen finden nahe Verwandte in einem figürlichen Kissenblatt im Besitze des
Duke of Rutland49). Die Opferung Isaaks wird durch Spruchbänder glossiert (als Ersatz der
Längsbordüren): HAVE A STRONGE FAITH IN GOD ONELY | NOT THIS BUT MY GOOD
WILL (Sammlung Duke of Rutland). Abraham schwingt das Schwert über dem Haupte
des knienden Isaak. In den baumwollflockenartig stilisierten Wolken erscheint warnend
der Engel. Im Hintergrund wartet der Begleiter mit dem Esel. Baum, Blumen und Vase im
Vordergrund zeigen eine weitgehende Vergröberung und Stilisierung, die nicht allein
durch wirktechnische Schwierigkeiten bei dem verhältnismäßig kleinen Kissenblatt zu er-
klären ist. Die Farben — vorwiegend Gelb, Grün, ein stumpfes Rosa mit fast schwarzen
Schatten, ein mattes Blau, Braunschwarz — sind trüb und schwer50). Die Eigenwilligkeit
sowohl des Zeichners wie des Wirkers charakterisiert sich typisch in den seitlichen Bor-
düren. Der Ernst der Darstellung und die mahnenden Spruchlegenden stören den Künstler
durchaus nicht. Je eine Katze, rechts und links, sitzt ebenso vergnügt wie unvermittelt auf
den emporschießenden Nelken. Ein in den Farben frischeres Gegenstück erschien 1928
(31. Juli) auf einer Christie-Auktion und ging in den Besitz der Sammlung Colonel Howard
über. Zu der gleichen Gattung Kissenblätter gehören eine „Anbetung der drei Könige"
(Sammlung Lady Binning) — etwas feiner in der Detaillierung und Farbengebung, schma-
ler Zahnschnittfries, Legende: MATTHEW THE 2 —, „die Flucht der Heiligen Familie
nach Ägypten" im Victoria and Albert Museum51) — Legende: NON DONVM SED DO-
NANTIS ANIMVM —, „Christus und die Samariterin" (Victoria and Albert Museum),
wiederum von der schmalen Zahnleiste gefaßt. Bemerkenswert in allen Fällen ist die eigen-
tümliche Stilisierung der Blüten, namentlich ein merkwürdiger Kelch mit abwechselnd ein-
fachen und am Ende zweifach gespaltenen Blütendolden, der sich in der Folgezeit immer
wieder feststellen läßt.

Neben der „primitiven" Gruppe, um bei dem Ausdruck zu bleiben, lassen sich gleich-
zeitig technisch besser durchgeführte Erzeugnisse feststellen; beide Ateliers arbeiten viel-
fach nach denselben Vorlagen, werden also von einer Zentralstelle beliefert.

Den Ausgangspunkt bildet ein kleines Rücklaken (oder langes Kissenblatt), das in seinem
Aufbau interessante Rückschlüsse auf den Manufakturbetrieb zuläßt. Drei Szenen aus dem
Leben des Heilandes — Verkündigung, Geburt, Anbetung der drei Könige — werden räum-
lich durch von Säulen getragene Arkadenbögen begrenzt. In den Zwickeln erscheinen die be-
kannten stilisierten Blüten, unter anderen auch die eigenartige Dolde. Zeichnung und wirk-
technische Durchführung sind hart. Der Wirker steht bei dem langgestreckten Stück einer
Aufgabe gegenüber, die ihm nicht ohne weiteres liegt. Er ist auf die üblichen Kissenblätter
eingestellt. Dementsprechend löst er die Längsbordüren dergestalt, daß ober- und unter-
halb des Mittelbildes (Geburt) der landläufige, von zwei Vögeln belebte Frucht-Blumen-
Fries erscheint. Den freibleibenden Raum (unter und über der Verkündigung und der An-
betung) füllen winzige Jagdszenen, die bei aller Primitivität von erfrischendem Reiz und
guter, ursprünglicher Beobachtung sind. Die Gestalten der Jäger erscheinen in den Trach-
ten um 1600. Entsprechend wird die Mitte der Seitenleisten dem Frucht-Blumen-Büschel,
das obere und untere Drittel einer Männer- bzw. einer Frauengestalt (wiederum in der Zeit-
tracht) vorbehalten. Eine Variation (Abb. 125 a) in zwei Szenen — Geburt, Anbetung —

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