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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0219

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England. Meister der Metamorphosen

sich in den Sammlungen Arundel Castle und Sir E. Horlick. Typisch sind immer wieder die
Schloßbauten und die Gärten. Als Bordüre findet das schräglaufende Bandmotiv Ver-
wendung201) .

Die Ovidschen Metamorphosen-Serien sind hie und da durch etwas farblose Schäfer- und
Nymphenszenen ergänzt, Apollo und Diana wandeln im Gehölz usw. Zweifelhaft ist die
Zuschreibung des Neptun-Behanges auf Bower House, Havering, und verwandter Frag-
mente im Besitze des Earl of Iveagh in schmalen Blumenrahmen202).

Nach dem Metamorphosen-Schema arbeitet die Geschichte der Telemachus, die gleich-
falls mit Metamorphosenmotiven kombiniert wird. Die Sammlungen zu Grove (Craven
Arms) und Hermann verzeichnen interessante Stücke (Telemachus nimmt Abschied und
begibt sich zu dem Schiff).

Die etwas ungeschickte Zeichnung und die gleiche weiche Technik — von der verwand-
ten langweiligen Blattbordüre nicht zu reden — kehren wieder in einer Geschichte des
Odysseus, die gleichfalls der von Aubusson beeinflußten Werkstatt der Ovidschen Meta-
morphosen zuzuschreiben sein dürfte. Die Folgen verteilen sich mit fünf Teppichen auf
Hinwick House, Wellingborough, mit drei Behängen auf den früheren Bestand der Spanish
Art Gallery (Abb. 162 b), mit einem Stück auf die ehemalige Sammlung Herrmann. Ins-
gesamt kommen sieben Motive zur Wiedergabe:

1. Odysseus mit Circe an der Tafel. Im Vordergrunde erscheinen die bereits in Schweine
und andere Tiere verwandelten Gefährten des Helden.

2. Odysseus, halb hinter einem Baumstamm versteckt, spricht mit Nausikaa. Links sitzen
die Mägde. Der Hintergrund mit der hügeligen Landschaft und der Stadtanlage wirkt
durchaus dekorativ.

3. Odysseus bessert sein Boot aus, Kalypso gibt ihm gute Ratschläge. Der Behang, ehedem
in der Sammlung Herrmann, ist im Entwurf reichlich ungeschickt, in der Technik dürf-
tig; trostlos wirkt die Blatt-(Dreieck-) Bordüre. Es ist zweifelhaft, ob der Teppich mit der
Metamorphosenmanufaktur in Verbindung zu bringen ist, wenngleich an der englischen
Provenienz kein Zweifel bestehen dürfte.

4. Die Belagerung von Troja. Im Vordergrunde erscheinen Odysseus und Agamemnon im
Gespräch vor dem Lager der Griechen; im Hintergrunde verschwimmt die auf einem
Hügel gelagerte Stadt Troja.

5. Die Rückkehr des Helden in Begleitung des Sauhirten Eumäos.

6. Odysseus erkennt Achilles unter den Töchtern des Lykomedes. In dem ungewöhnlich
langen Wandteppich bieten Odysseus und Diomedes den Mädchen Musikinstrumente
dar. Die Szene ist malerisch in eine gut komponierte Säulenhalle verlegt (Abb. 162 b).

7. Der Held nimmt Abschied von König Alkinoos, rechts dehnt sich die Küste, auf den
Wellen schaukelt das Schiff.

Zum Schlüsse dürfte noch eine Phaethon-Folge — in Holyrood — zu erwähnen sein, die
wahrscheinlich mit dem Meister der Metamorphosen in Verbindung zu bringen ist:

1. Klymene offenbart Phaethon die Vaterschaft Apollos. Der Gott schwebt auf dem von vier
Rossen gezogenen Sonnenwagen in den Wolken. Typisch ist wiederum die Palastanlage.

2. Apollo und sein Sohn steigen die Stufen eines Edelsitzes herab. Die offene Tür er-
schließt den Blick auf den wartenden Wagen des Sonnengottes.

3. Phaetons Sturz.

4. Der Jüngling auf der Bahre. Phaetons Schwestern werden in Pappeln verwandelt. Die
Bordüre beschränkt sich auf einen schmalen Rahmen203).

Ziehen wir das Endergebnis, so folgt daraus, daß eine Manufaktur — das Atelier der
Ovidschen Metamorphosen — in England, wohl in London, in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts bestanden haben muß, wahrscheinlich von ausgewanderten Wirkern aus

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