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N°. 64. HEIDELBERGER 1837.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Grace Kennedy's Werke.
(Bes chluf s.)
Dieser Roman ist reich an Scenen , die mit Kraft und selbst
mit Leidenschaft ausgeführt sind , und dem Ganzen fehlt es nur
an gröfserer Gedrungenheit, um ein völliges Kunstgebilde darzu-
stellen. Auch besitzt es eine Menge mannichfaltiger und trefflich
durchgeführter Charaktere, von welchen die nichtsnutzige Mrs
Lenox und die edle Lady Morven nebst mehrern andern in unsrer
Andeutung des Inhalts nicht einmal Platz gefunden haben. Nur
zwei Classen von Charakteren vermissen wir ganz, es sind die
Verkehrten unter den Methodisten selbst, seyen es nur die Wölfe
in Schafspelzen, oder die Doppelschafe, die, nicht nur im mo-
ralischen, sondern auch im intellektuellen Sinne Schafe, zugleich
stolz sind auf ihre Schafsnatur, und dem Spruche, dafs Christum
lieb haben besser ist denn alles Wissen, eine Deutung geben,
vermöge welcher sie ihrer Unwissenheit an Und für sich, gegen-
über von dem Wissen Anderer, einen wesentlichen Werth bei-
gelegt sehen wollen. Beide Classen sind unter der Sekte nicht
selten. Die Kunst, wie die Wahrheit, und da es doch eigentlich
nur Eine Wahrheit giebt, auch die göttliche Wahrheit selbst, in
deren Dienste die Dichterin allein schreiben wollte —■ sie alle
würden bei Schilderungen solcher Personen und Vermeidung ei-
ner gewissen Einseitigkeit nur gewonnen haben.
Die genaue Analyse dieses Hauptwerks der Verfasserin hat
unsrer Anzeige so viel Baum weggenommen , dafs wir uns über
den fünften und sechsten Band der Sammlung kurz fassen müs-
sen. Die Novelle, die den fünften Band füllt, »Pater Clemens«,
hat den didaktischen Zweck, die Vernünftigkeit und Trostkraft
des Protestantismus, gegenüber von dem, wras der Verfasserin als
katholischer Aberglaube nicht des grofsen Haufens, sondern des
eonsequenten Katholiken, des Svstemes selbst, erscheint, in zwei
Propheten des Protestantismus einerseits , andrerseits in einem red-
lichen Jesuitenpriester, »Dorner« oder »Pater Clemens«, und
einer blinden Schülerin desselben darzustellen, und zugleich die
weltliche und schändliche Seite des Jesuitismus (im »Pater Adrian«
oder »Warreme«) zu enthüllen. Das Gewand dieser Didaxe ist
eine historische Novelle in Walter Scott’scher Manier, mit glück-
lich erfundenen Begebenheiten und sehr sorgfältig gezeichneten
Charakteren. Sie spielt in Nordengland , diesseits des Tweed , der
die Gränze nach Schottand zu bildet, und im Jahre 1715, eine
für historische Staffage glücklich gewählte Zeit; denn gerade da-
XXX. Jahrg. 10. Heft. 64
 
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