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1072 Briining: Das Dasein Gottes und der menschl. Willensfreiheit.
bewufstseyn oder Ich. Subject und Object, Ich und Gegen-
stand werden unterschieden. Man hat jetzt die Vorstellung:
Ich empfinde5 damit tritt der Mensch über die Thierheit hin-
aus; er denkt jetzt sich selbst, wo das Thier nur sich selbst
fühlt. — Bis hieher herrscht noch die alte Nothwendigkeit;
weil dies erste Selbstbewufstsejm, d. i. das Ich das ur-
sprüngliche Subject in der Empfindung zum Gegenstand
hat und mit ihm unzertrennlich zusammenfällt.
3) Selbstbewufstseyn der2ten Potenz.
Wird nun auf dies erste Selbstbewufstseyn wieder re-
flectirt oder selbes zum Bewufstseyn erhoben, wodurch wir
ein vorgestelltes Ich erhalten, mit der Aussage: ich
weifs, dafs ich empfinde ; so kommt zum Vorschein ein Ich
über der Empfindung schwebend. Erst dieses potenzirte
Selbstbewufstseyn kann sich zum Theil frei bewegen, da
es sich über der Empfindung gewahr wird, nicht an der
Empfindung klebend wie das erste Ich. Hier finden wir also
eine Selbstthätigkeit, die von sich selbst weifs und die
zugleich, obwohl auf die vorhergehende Empfindung oder
Wahrnehmung als die Unterlage sich beziehend, dennoch
nicht von derselben regungslos gefesselt wird, sich vielmehr
darüber erhebt, also nicht nothwendig absolut davon abhängig
ist. Also hier erst tritt die Möglichkeit einer theilweisen
freien Aeufserung ein. — Noch höher Jäfst sich das Selbst-
bewufstseyn nicht potenziren ; wodurch wir blos reicher an
Form, an Tautologien und nichts an Gehalt gewinnen würden.
Was macht denn, könnte gefragt werden, dafs hier
gleichsam als Wunder eine Freiheit, die Nothwendigkeit
abschüttelnd, auf einmal auftaucht. Die Antwort (des Ver-
fassers) lautet: Ist ein unabhängiges Selbstsetzen des Be-
wustlosen möglich, sogar zum Theil nothwendig; so ist auch
ein unabhängiges Setzen durch das reflectirte Ich möglich,
wodurch es zum überlegenden, sonach wählenden potenzirt
wird. Und im Wählen besteht eben das menschliche freie
Wollen, sich dadurch von dem nicht Wählenden Wollen der
Thiere unterscheidend.
Soll es aber zum Wollen kommen, so mufs Beweg-
grund daseyn; und soll gewählt werden, so müssen ent-
gegengesetzte Beweggründe statt finden.
(Der Schlufs folgt.)
 
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