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122 Neue Ausgaben germanischer Rechtsbücher
und wie vor den Waffen der Germanen in dem grossen Völker-
sturme die Macht der Römer sank, so sank mit ihr auch in den
eroberten Provinzen ihr weltherrschendes Rechte und seine Grundbe-
griffe mussten sich des Uebcrgewiehtes ungeachtet, welches ihm
seine wissenschaftliche Ausbildung zu sichern schien, dennoch den
Grundbegriffen des deutschen Rechtes unterordnen, ja selbst die
künstlich feine Logik und die Methode eines Papinian und Paulus
musste, wenn nicht als Knecht, doch als Lehrer dem deutschen Sie-
ger — dem Kinde der Natur und Sitte dienen. Welcher herrlichen
Entwickelung das deutsche Recht fähig ist, wo man es verstehet,
es aus sich selbst fortzubilden, das zeigt uns England, so hier, wie
in Allem, was die socialen Verhältnisse betrifft, ein Typus der Ent-
wickelungsfäbigkeit der germanischen Nationen; aber auch in Frank-
reich, in Spanien und selbst in Italien haben — (namentlich im ca-
nonischeii Rechte) — deutsche Rechtsideen den Sieg davon getra-
gen, und bis zur Stunde noch das römische Recht modificirt.
Man möchte es daher für einen wahren Humor des Schicksals
halten, dass gerade in Deutschland selbst fast das umgekehrte Ver-
hältnis» sich feststellte, dass hier das römische Recht gleichsam als
Sieger eindrang und das deutsche Recht in der Art unterjochte,
dass man sogar sich oft dazu genöthiget gefunden hat, die prac-
tische Anwendung der eigentlichen deutschen Rechtsgrundsätze, wo
sie dem römischen Rechte widerstreiten, von einem speeiellen Be-
weise ihrer durch ein Herkommen bestätigten Geltung abhängig
zu machen, so wie auch kaum noch in einem oder dem anderen
Staate die Legislation einen überdiess meistens wenig glücklichen
Versuch gemacht hat, das gegenseitige Verhältniss des römischen
und deutschen Rechts für die Praxis zu fixiren. Aus dieser Rück-
sicht muss uns zur Zeit noch besonders daran liegen, dass jene
Rechtsquellen an den Tag gefördert werden, welche uns unser ein-
heimisches deutsches Recht in seiner ursprünglichen Gestalt und
Reinheit zeigen, noch unvermischt mit dem römischen Rechte —
dem einzigen Nebenbuhler des germanischen Rechtes in der Welt-
geschichte —; denn nur die genaue Einsicht in die Eigenthümlich-
keiten des deutschen Rechtes und die Kenntniss seiner Licht- und
Schattenseiten sind es, welche in dem noch keineswegs beendigten
Kampfe beider Rechte um praetische Geltung in Deutschland ein
motivirtes Urtheil vorbereiten und die Entscheidung bedingen können.
Ich werde daher hier in gedrängter Kürze eine Uebersicht der neue-
sten Leistungen im Gebiete der deutschen Rechtsquellen des Mit-
elalters geben: denn zunächst handelt es sich darum, dass die Schätze,
 
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