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Prekesoh von Osten, Denkvrürdigkk. n Erinnerrungen aus d. Orient 205
möchte mail glauben, er habe nicht etwa nur einen flüchtigen Blick
in die Jahrbücher der historia byzantina geworfen, sondern den
Inhalt ihrer Blätter längere Zeit zum Gegenstand seiner Studien
gemacht. Seiner Meinung nach ist dieses byzantinische Christen-
reich, aus welchem Gesichtspunkte man es immer betrachte, „das
die Menschheit entehrendste Blatt des traurigen Buches der Ge-
schichte. Zu welcher Verzerrung und Entartung, Herschervergöt-
terung und Pfaffentrug führen, stehe darauf mit Blut und mit
Thränen von Millionen eingezeichnet. Leider sey dieses byzan-
tinische Wesen noch immer mit tiefen Zügen in den Charakter
des Volkes geschrieben, und Jahrhunderte haben diese moralische
Pest noch nicht aus den Enkeln derer getrieben, welche einst un-
ter dieser niederträchtigen Herrschaft lagen, ja selbst die gegen-
wärtig daselbst regierende Türkendynastie habe ihre grausamsten
Gebräuche als ein Erbstück vom griechischen Kaiserthum erhal-
ten.“ In dem letzten Satze dieser Stelle sagt Hr. Prokesch viel
mehr, als er vielleicht dabei denkt; nicht etwa nur einige Prakti-
ken, sondern das ganze Gezimmer des türkischen Reiches, die Ein-
theilung der Provinzen, die Hierarchie des öffentlichen Dienstes,
die Namen der Aemter, die Form der Polizei und der Munieipal-
verwaltung, Beamtenwechsel, Stellenverkauf und Hofceremoniel,
Gerechtigkeitspflege, Militärdienst und Steuererhebung sind bis auf
die neueste Zeit — nur mit türkischer Benennung —- byzanti-
nisch geblieben, so dass die Herrschaft der Osmanli eigentlich
nur eine Palastrevolution, ein Regierungs- und Dynastenwechsel,
oder noch besser, eine politische Restauration und Wiederbelebung
der alten Monarchie der Justiniane und Komnenen mit ihren An-
sprüchen universeller Welt - Herrschaft war. Das Leben, wel-
ches die Osmanli-Dynastie, durch Beseitigung des verfaulten Pa-
läologenstammes, der byzantinischen Staatsmaschine einhauchte,
gährte durch alle Theile mit solcher Frische, fand mitten in der
Anarchie und Auflösung bürgerlicher Ordnung solche Elemente
der Kraft, dass man in kurzer Frist nicht nur die alten Grenzen
des byzantinischen Reiches zwischen dem adriatischen und persi-
schen Meere unter der neuen Fahne wieder gewann, sondern die
Furcht vor dieser restaurirten Monarchie der Theodosiusse weiter
als je unter den christlichen Padischahen auf der Erde vordrang.
Slaven , Griechen und Arnauten lieferten den grössten Theil der
siegreichen Türkenheere, und die Sultane fanden Ueberfiuss an
tapfern Männern und genialen Feldherrn in denselben Ländern,
die unter dem Scepter der armseligen Paläologen oder der obstm-
 
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