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146 Dr. Schulz: Die Evang. Kirchenzeitung u. das Symb. apostolic.
meiden gewesen und würde derselbe allerdings noch redlich zu
vermeiden seyn, wenn jene drei Hauptsätze, insofern sie
den Christusverehrer von Heiden und Juden symbo-
lisch unterscheiden, geltend blieben, für die speziellere Aus-
legung aber ein jeder sieb eben den Sinn, welchen jene Haupt-
worte nach dem damaligen Sprachgebrauch der Redenden haben
konnten, aus dem Bibeltexte und den übrigen überlieferten Zeit-
umständen (historisch-philologisch oder panharmonisch) entweder
selbst zu sammeln oder als gesammelt zu betrachten, zwanglos
veranlasst würde.
Ungestörtes allseitiges Darstellen aller möglichen Auslegun-
gen und stillbedachtsames Vergleichen ihrer Gründe würde auch
in diesen Aufgaben der Religiosität wie bei so vielen andern wis-
senschaftlichen und praktischen Angelegenheiten, weit eher zu
gemeinschaftlichen Ueberzeugungen führen, als alle die stachlich-
ten Zäune und Gehege, mit denen die Heerdenleiter, welche, dass
sie nur freie Menschengeister vor sich haben, vergessen, ihre
Weideplätze umzingeln und mit geschwungenem Hirtenstab schü-
tzen zu können meinen.
Wäre vielmehr eine bestimmt entschiedene Auslegung
nach Gottes Willen nöthig, wer kann zweifeln, dass sie nicht baar
und klar von dem, der allein seinen Sinn aufs treffendste wissen
konnte, gegeben und in unverkennbaren Ausdrücken zur Aufbe-
wahrung gesichert worden wäre? Oder könnten wir es denn für
gotteswürdig halten, wenn die festere, klarere Bestimmung dessen,
was doch zum Seeligwerden unentbehrlich seyn sollte, den diver-
sesten Auslegungen der Folgezeit, den wechselndsten.Geschlechts-
und Amtsfolgern entfernterer Zeitalter überlassen geblieben wäre?
Sollten denn also diese Gelehrte und Halbgelehrte erst eigentlich
zu Offenbarer« des Noth wendigen gemacht worden seyn?
Gewiss hat Origenes recht, dass besonders in der Entstehung und
Verbreitung des Urchristenthums nichts „sine Numin“ («Se»?)
geschah (et. Cels. I., 26.). Nun aber haben Christus und die
Apoßtel keinen dogmatischen Lehrbegriff hinterlassen.
Selbst die Sammlung alt- und neutestamentlicher, für Localzwecke
verfasster Schriftreste ist da, ohne dass wir historisch wis-
sen, durch welche Autorität und nach welchen Grund-
sätzen und Kenntnissen. Zeigt uns also diese „göttliche
Erziehung des Menschengeschlechts“ nicht offenbar diess, dass
Gott nichts Theoretisches, besonders nichts Metaphysisches über
die Religion als gegeben fixiren, desto mehr aber den menschli-
chen Geist zur Selbstberichtigung der ihm wichtigen Ideen auf-
regen will, und wer diese Selbstthätigkeit vergewaltigt, den Vor-
wurf der Sfoua^ia verschuldet. Apg. 5, 39.
Von dieser Seite her die Frage betrachtet, könnte es dem-
nach den protestantischen Gemeinden, denen es nach dem ober-
sten Grundsatz ihrer Kirchenreformation um den ungestörten Ge-
brauch aller Ueberzeugungskräfte und Mittel zu thun ist, zu jeder
Zeit die raöglichbeste Ueberzeugung nicht aus Willkür, sondern
 
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