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180 Strauss: Leben Jesu, u. Ammon: Fortbildung d. Christenthums.
sah ich ein junges Mädchen wie todt liegen. Ich sagte einer aiten
Frau, sie möchte doch Wasser holen, um sie wieder zu sieh selbst
zu bringen. — Ei bewahre, es ist der Herr, der sie besucht, er
wird es nach seinem Gefallen machen — sie sieht etwas und hört
etwas, das wir nicht sehen und nicht hören. Diese Zufälle fanden
sämmtlicb Statt bei Mädchen von fünf bis vierzehn Jahren und viel-
leicht einem Dutzend junger Weiber. Weder bei Männern noch
bei Knaben, auch nicht bei einem war das Geringste zu bemerken.
In diesem Falle sollte also das Erwecken der Zerknirschung
des Herzens, die Wiedergeburt und die Heiligung vermitteln.
Die Sectirer können nicht anders, als sich bemühen, ihre ab-
weichenden Meinungen aus der Schrift zu beweisen. Oft gebrau-
chen sie dazu abgerissene Stellen, die vereinzelt günstige Ausle-
gungen oder sophistische Verdrehungen zulassen. Um zu beur-
theilen, ob es mit Recht oder Unrecht geschieht, darf man also
selbst in der Schrift nicht unbewandert seyn, vorzüglich im neuen
Testamente, da dieses die Lehren des Christenthums enthält.
Demnach muss man es aufmerksam lesen, wohl durchdenken und
überlegen, worauf das meiste Gewicht zu legen sey. Die eigenen
Worte Christi sind offenbar vor allen andern entscheidend ; jedoch
müssen Verhaltungsregeln, welche sich auf die Apostel und ihr
Amt beziehen, von den allgemeinen Vorschriften wohl unterschie-
den werden, welche die Gläubigen überhaupt angeben. Selbst in
diesen, und noch mehr in der Erzählung der Thatsachen befindet
sich Manches, was nachher aus spätem Ueberlieferungen hinzu-
gekommen ist, wie es aus dem Eingänge zum Evangelium St.
Uucä deutlich erhellt.
Die Bergpredigt im St. Matthäus enthält z. B. Verschiedenes,
welches allein die Apostel betrifft. Sie nimmt mit ihren 111 Ver-
sen die Capitel 6, 6 und 7 ein. Im St. Marcus befindet sich gar
nichts von derselben, im St. Lucas 60 Verse, die bei verschiede-
nen Gelegenheiten in mehrern Capiteln zerstreut Vorkommen, 61
Verse der Bergpredigt sind dem St. Matthäus eigenthümlich, zu
diesen gehört unter andern die Stelle 5, 39—41., in welcher nebst
ähnlichen Verhaltungsregeln gesagt wird: so dir jemand einen
Streich gibt auf den rechten Backen, dem biete den andern
auch dar. Dieses geht offenbar auf die Amtsführung der Apostel.
Sie mussten nothwendiger Weise öfters bösen Willen und schimpf-
liche Behandlung erfahren. Hätten sie dieses mit Zorn erwiedert,
so würden sie sich des Lehramtes unwürdig und zu ihren aufge-
irageuen Verrichtungen unfähig gemacht haben. Sie sollen daher
 
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