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Scheidler : Pnränesen liir Stadirende.

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wo der oben schon bezeichnete materialistische Zeitgeist darin be-
reits seinen nachtheiligen Einfluss geltend gemacht, dass er in
dem Gymnasialunterricht die Einführung einer Anzahl von Unter-
richtsgegenständen veranlasst hat, die, ohne gründliches Wissen
und gründliche Bildung zu fördern, dieses vielmehr beeinträchti-
gen und eine falsche Halbwisserei herbeiführen, deren verderb-
liche Folgen als Unwissenheit auf der einen, und als Frechheit
und Anmassung auf der andern Seite bei unserer Jugend nur zu
oft sich kundgeben. Man will leichten Kaufes und ohne Mühe Alles
wissen oder doch über Alles zu reden und zu schreiben wissen,
man will über Alles räsouniren, dabei auch Alles geniessen, man
eilt darum auch allem Dem zu, was die Sinne reizen und einen
pikanten Genuss oder Sinnenkitzel verschalfen kann, und sucht
auf Kosten des guten Geschmacks und der Moral sich zu befrie-
digen. Was Herder zu seiner Zeit ausrief: „Solche Geschmacks-
verderber stehen auf dem bunten Markte der Welt jetzt an allen
Ecken, vor allen Pforten. Wehe dem Jünglinge, der unter sie
fällt“! das kann man wahrhaftig jetzt mit noch grösserem Rechte
ausrufen. Dass einer solchen verderblichen Richtung auf wissen-
schaftlichen Wege am besten und kräftigsten durch ein gründli-
ches Studium der classischen Literatur Griechenlands und Roms
entgegengearbeitet werden kann, ist ein von allen Bessern und
Einsichtsvollem unserer Nation zu allen Zeiten anerkannter Satz,
so dass eben daraus der gewaltige Hass sich erklären lässt, wel-
cher von den Vertretern jenes Zeitgeistes auf den Betrieb classi-
scher Studien geworfen wird, die sie als unnütz für das Leben,
unfruchtbar und darum längst verschollen darstellen möchten.
Höchst schädlich ist daher das Hereinziehen einer Menge von
Unterriehtsgegenständen in den Gymnasialunterricht, die ihm frü-
her ganz fremd waren, und ihm auch, sofern er eine allgemein
menschliche, höhere Bildung bezwecken soll, fremd bleiben soll-
ten; denn diess zersplittert natürlich die Kräfte des Jünglings,
die nun vereinzelt in Jedem Etwas leisten, in Jedem Etwas wis-
sen sollen, und darüber das Ganze ihrer wissenschaftlichen Bil-
dung, die Grundlage derselben vernachlässigen. Fast jeder Zweig
der Naturwissenschaft soll jetzt auch in seinen Elementen wenig-
stens auf den Gymnasien gelehrt und zweckmässig repräsentirt
werden. Es müssen ihm daher die erforderlichen Lehrstunden zu-
getheilt werden, die am Ende nicht mehr fruchten, als dass der
Jüngling, wenn er die Universität bezieht und sich zu derartigen
Berufstudien wenden will, hier doch wieder ganz von Vorne an-
 
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