Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 22. HEIDELBERGER 1847.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
v· Henckel : Erinnerungen aus meinem Eehen.
(Schluss.)
„Den Mittagstisch, wird S. 10. erzählt, hatten wir beim Escadrons-Chef,
der Fähnrich und der Junker aber mussten, wenn der Braten kam, aufstehen
und sich empfehlen. Nur wenn man Lieutenant wurde, hatte man das Recht,
Braten zu essen. — Das Regiment (^Reiterei) batte vier Locken auf je-
der Seite, zwei und zwei über einander. Damit die Frisur fest sass,
wurde dieselbe mit einem Pinsel durch den Kamm mit warmer Pommade durch-
spritzt und dann gleich darauf gepudert, so dass es wie candirt aus-
sah; dazu ein durch Puder möglichst dick gemachter Zopf von belie-
biger Länge, aber doch jedenfalls bis in die Taille, mit einer grossen
Cocarde. Ich erinnere mich, in Bartenstein bei dem Regiment meines
Vaters einen Kapitain von Schallenfels gekannt zu haben, dessen Zopf
auf der Erde schleppte, und den er daher beim Exerziren in die Rock-
tasche stekte. Er brauchte 70—80 Ellen Zopfband.“ — Dergleichen un-
natürliche Kopfschwänze besassen auch Artillerie und Fuss-
volk, freilich in verjüngtem Massstabe; dutzendweise fielen sie im Hand-
gemenge ab und dienten dem Feind für etliche Augenblicke als komische
Siegeszeichen. Bei diesen und ähnlichen Verschrobenheiten , welchen
kein hinlänglich wissenschaftlicher Unterricht zügelnd zur Seite
stand, behauptete die Armee dennoch den alten Ruf der Tapferkeit und
tactischen Kunst; es fehlte nur an einem organisirenden Kopf, um
den eckelhaft gewordenen Ballast über Bord zu werfen und aus dem
brauchbaren Stoff gemäss den Zeitbedürfnissen ein verjüngtes Ganze zu
schaffen. Diese in Preussen unbesetzt gebliebene Stelle übernahm das
Unglück, ein strenger, gewöhnlich wohlthätiger Zuchtmeister. Manche
schätzenswerthe, theilweise unbekannte Erläuterungen bekommt der vom
Verfasser mit bestandene Feldzug der Jahre 1806 und 1807, die Mark-
scheide Alt- und Neupreussens. Dem Herzog von Braunschweig,
welcher trotz seines Greisenthums eine Französische, für ihre Landsleute
spionirende Mätresse mit sich herumschleppte (S. 430, wird entschieden
alle Befähigung abgesprochen, über den Fürsten von Hohenlohe ein
minder hartes Urtheil gefällt und dem General von Rtichel Aufgebla-
XL. Jahrg. 3. Doppelheft. 22
 
Annotationen