Hoffmeister: Schülers Leben und Werke.
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tel der Hoff meister’sehen Schrift ausgesprochen. Dieser Tadel ist
aber weder an sich, noch auch in Bezug auf Hoffmeister gegründet.
Schillers Leben und Geistesentwicklung ist keineswegs eine blos sub-
jective und individuelle, sondern eine objective und allgemeine, und stellt
die Entwicklung der deutschen Nation nach der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts dar, sowie unser Dichter denn überhaupt die Geschichte der
europäischen Menschheit in seinem Leben und seinen Werken anticipirt
hat. Und in diesem Sinne sucht sie auch Hoffmeister darzustellen.
Er unterscheidet eine Sturm- und Drangperiode von den Räubern bis
Don Carlos, eine Periode der geistigen Orientirung und Vertiefung durch
die historische, philosophische und poetische Bildung und eine dritte, aus
dieser zweiten hervorgehende, gereifte Kunstperiode.
Es kommt freilich darauf an, wie er diese drei Perioden darstellt.
Es soll daher zunächst eine Uebersicht und dann eine Kritik hievon ge-
geben ■werden mit Ausschluss der dramatischen Werke der ersten und
letzten Periode.
Der zweite Theil Η o f f m e ist e r’s beginnt mit Schiller’s zwei-
tem Lebensabschnitt oder der Periode der wissenschaftlichen Selbstver-
ständigung, die sich von Don Carlos — 1786 — bis zu den Horen —
1794 — erstreckt. Er beginnt diesen Theil also: Mit Don Carlos war
ein poetischer Cyklus durchlaufen. Schiller hatte in der eingeschla-
genen Richtung die höchste Aufgabe, wenn nicht vollkommen befriedigend,
doch glänzend und ruhmvoll gelöst und seinem sittlich poetischen Trieb
Genüge gethan. Nach den Bedingungen seiner damaligen Bildung
vermochte er seine Weltansicht nicht höher zu entwicklen, und kla-
rer zu deuten, als es im Don Carlos geschehen ist. Sein poeti-
scher Genius verstummte in seiner Brust. So musste Don Car-
los das letzte Wort Schiller’s auf dem Standpunkt werden, den er
bisher einnahm und er fühlte sich seiner Dichtkunst entfremdet, und von
seinem, schon von Anfang vorhandenen philosophischen Interesse ergrif-
fen. Dieses bemächtigte sich nun der Herrschaft und er vertiefte sich
in sich selbst und begründete so eine zweite höhere, reifere Epoche
seiner poetischen Laufbahn. Aber auch das äussere Leben machte seine
Rechte geltend. Als die melodische Stimme der Muse verstummte, konnten
die rauhen Missklänge der Welt nicht länger ungehört und unbeachtet
bleiben. Jetzt, nach den herbsten Erfahrungen sah er ein, dass er auf
die Ausübung seines Dichtertalents seine äussere Existenz nicht gründen
könnte, und diese Einsicht hatte ihn bestimmt, nun sein Lebensglück sei-
nem ausgezeichneten, intellectuellen Talente anzuvertrauen und durch An-
17*
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tel der Hoff meister’sehen Schrift ausgesprochen. Dieser Tadel ist
aber weder an sich, noch auch in Bezug auf Hoffmeister gegründet.
Schillers Leben und Geistesentwicklung ist keineswegs eine blos sub-
jective und individuelle, sondern eine objective und allgemeine, und stellt
die Entwicklung der deutschen Nation nach der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts dar, sowie unser Dichter denn überhaupt die Geschichte der
europäischen Menschheit in seinem Leben und seinen Werken anticipirt
hat. Und in diesem Sinne sucht sie auch Hoffmeister darzustellen.
Er unterscheidet eine Sturm- und Drangperiode von den Räubern bis
Don Carlos, eine Periode der geistigen Orientirung und Vertiefung durch
die historische, philosophische und poetische Bildung und eine dritte, aus
dieser zweiten hervorgehende, gereifte Kunstperiode.
Es kommt freilich darauf an, wie er diese drei Perioden darstellt.
Es soll daher zunächst eine Uebersicht und dann eine Kritik hievon ge-
geben ■werden mit Ausschluss der dramatischen Werke der ersten und
letzten Periode.
Der zweite Theil Η o f f m e ist e r’s beginnt mit Schiller’s zwei-
tem Lebensabschnitt oder der Periode der wissenschaftlichen Selbstver-
ständigung, die sich von Don Carlos — 1786 — bis zu den Horen —
1794 — erstreckt. Er beginnt diesen Theil also: Mit Don Carlos war
ein poetischer Cyklus durchlaufen. Schiller hatte in der eingeschla-
genen Richtung die höchste Aufgabe, wenn nicht vollkommen befriedigend,
doch glänzend und ruhmvoll gelöst und seinem sittlich poetischen Trieb
Genüge gethan. Nach den Bedingungen seiner damaligen Bildung
vermochte er seine Weltansicht nicht höher zu entwicklen, und kla-
rer zu deuten, als es im Don Carlos geschehen ist. Sein poeti-
scher Genius verstummte in seiner Brust. So musste Don Car-
los das letzte Wort Schiller’s auf dem Standpunkt werden, den er
bisher einnahm und er fühlte sich seiner Dichtkunst entfremdet, und von
seinem, schon von Anfang vorhandenen philosophischen Interesse ergrif-
fen. Dieses bemächtigte sich nun der Herrschaft und er vertiefte sich
in sich selbst und begründete so eine zweite höhere, reifere Epoche
seiner poetischen Laufbahn. Aber auch das äussere Leben machte seine
Rechte geltend. Als die melodische Stimme der Muse verstummte, konnten
die rauhen Missklänge der Welt nicht länger ungehört und unbeachtet
bleiben. Jetzt, nach den herbsten Erfahrungen sah er ein, dass er auf
die Ausübung seines Dichtertalents seine äussere Existenz nicht gründen
könnte, und diese Einsicht hatte ihn bestimmt, nun sein Lebensglück sei-
nem ausgezeichneten, intellectuellen Talente anzuvertrauen und durch An-
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