DOI Heft:
Nr. 14
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.42692#0225
Nr. 14. HEIDEIEEBEER 1848
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Bodenstedt, die Völker des Kaukasus»
(Schluss.)
Mit Hermurmeln der üblichen Gebete, mit pünktlicher Verrichtung
der vorgeschriebenen Waschungen, mit Flüchen gegen die Anhänger Omars
(die Sunniten) glaubte ich, sei Alles gethan, aber Allah hat durch ein
Wunder meine Augen erleuchtet u. s. w. „Hadis-Ismail erkannte wohl
den unseligen Hass zwischen den Schiiten und Sunniten als den Grund
des Verfalls des Islams, von dem Tode Omars an bis auf die neueste Zeit,
denn offenbar verdankt Russland seine grossen Fortschritte in der Unter-
jochung der islamitischen Völker grossentheils auch dieser tiefen Spaltung
im Innern derselben, welche ein Zusammenwirken Persiens und der Türkei
hinderte, von denen ‘ ersteres Land der Lehre der Schiiten und Letzteres
der der Sunniten huldigt. Hadis-Ismail durfte sich daher, um den Kampf
gegen die Moskowiten anzufachen, nicht damit begnügen, auf den Koran
hinzuweisen, der reichlich gesegnet ist an Versen, welche den Krieg gegen
die Nichtmohammedaner predigen, er musste vor Allem Einigkeit unter
den Gläubigen zu begründen suchen, durch Hinwegräumen der bisherigen
Streitpunkte. Den Akt seiner eignen Umwandlung vom eifrigen Schiiten
in einen über alle Parteien stehenden reinen Moslim gründete er auf eine
angebliche oder wirkliche Vision während einer Wallfahrt nach Kerbelah.
Er fand sich in ein Thal des Paradieses versetzt, in dessen Mitte ein
marmorner Tempel stand. Im Vorhofe desselben sassen auf Teppichen
um eine Fontaine herum, die Gläubigen aus Persien und der Türkei. Er-
grimmt rief er: wie kommen die gottverdammten Anhänger Omars in die
wasserreichen Gärten der Seligen? Bald darauf sah er dichte Krieger-
schaaren heranziehen mit grauen Gesichtern, stumpfen Nasen und zottigen
1J H. Bodenstedt schreibt immer „zur Kerbelah“ und setzt in einer Note
(S. 317) hinzu: „zum Grabe Hussein’s (Husein’s) unfern Bagdad“ Kerbelah ist
aber nicht der Name des Grabes, sondern der Ebene, in welcher Husein er-
schlagen ward. Vergl. des Ref. Gesch. der Chalifen I. 313.
XLI. Jahrg. 2. Doppelheft.
14
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Bodenstedt, die Völker des Kaukasus»
(Schluss.)
Mit Hermurmeln der üblichen Gebete, mit pünktlicher Verrichtung
der vorgeschriebenen Waschungen, mit Flüchen gegen die Anhänger Omars
(die Sunniten) glaubte ich, sei Alles gethan, aber Allah hat durch ein
Wunder meine Augen erleuchtet u. s. w. „Hadis-Ismail erkannte wohl
den unseligen Hass zwischen den Schiiten und Sunniten als den Grund
des Verfalls des Islams, von dem Tode Omars an bis auf die neueste Zeit,
denn offenbar verdankt Russland seine grossen Fortschritte in der Unter-
jochung der islamitischen Völker grossentheils auch dieser tiefen Spaltung
im Innern derselben, welche ein Zusammenwirken Persiens und der Türkei
hinderte, von denen ‘ ersteres Land der Lehre der Schiiten und Letzteres
der der Sunniten huldigt. Hadis-Ismail durfte sich daher, um den Kampf
gegen die Moskowiten anzufachen, nicht damit begnügen, auf den Koran
hinzuweisen, der reichlich gesegnet ist an Versen, welche den Krieg gegen
die Nichtmohammedaner predigen, er musste vor Allem Einigkeit unter
den Gläubigen zu begründen suchen, durch Hinwegräumen der bisherigen
Streitpunkte. Den Akt seiner eignen Umwandlung vom eifrigen Schiiten
in einen über alle Parteien stehenden reinen Moslim gründete er auf eine
angebliche oder wirkliche Vision während einer Wallfahrt nach Kerbelah.
Er fand sich in ein Thal des Paradieses versetzt, in dessen Mitte ein
marmorner Tempel stand. Im Vorhofe desselben sassen auf Teppichen
um eine Fontaine herum, die Gläubigen aus Persien und der Türkei. Er-
grimmt rief er: wie kommen die gottverdammten Anhänger Omars in die
wasserreichen Gärten der Seligen? Bald darauf sah er dichte Krieger-
schaaren heranziehen mit grauen Gesichtern, stumpfen Nasen und zottigen
1J H. Bodenstedt schreibt immer „zur Kerbelah“ und setzt in einer Note
(S. 317) hinzu: „zum Grabe Hussein’s (Husein’s) unfern Bagdad“ Kerbelah ist
aber nicht der Name des Grabes, sondern der Ebene, in welcher Husein er-
schlagen ward. Vergl. des Ref. Gesch. der Chalifen I. 313.
XLI. Jahrg. 2. Doppelheft.
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