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Nr. 59. HEIDELBERGER 1852
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Kurze Anzeigen.
(Schluss.)
Die Geschichte steht hier entschieden auf romanischem, näher nordfranzösi-
schem Boden. Für das Eigenthümliche der dritten und jüngsten Gruppe hält Herr
Hofmann Anknüpfung an andere Kreise und Helden der Kerlingischen Sage, na-
mentlich O-gier den Dänen und Desiderius, den Lombarden, dann Fortsetzung
des Gedichtes auf Söhne und Enkel.
Von dem vorliegenden Gedichte hat Chabaille eine umständliche Analyse
gegeben, auf die ich den Leser statt weiterer Ausführung verweisen will; sie
findet sich im zweiten Bande des Nouveau recueil de contes, dits, fabliaux u. s. w.
von Achille Jubinal, (Paris, 1842. 8.) S. 387—412.
In dem Cod. Reg. 7227/5, der den Amis und Amiles enthält, folgt auf
diesen unmittelbar die Chanson von Jourdains de Blaivies (Blavii, Blaye),
das zweite der in dem vorliegenden Werke veröffentlichten Gedichte. An poe-
tischem Werthe, urlheilt Herr Hofmann, dürfte sie vielleicht über jenem stehen,
wenigstens kenne ich, fährt er fort, äusser der Episode von Folco und Aupais,
der Xiinene der fränkisch romanischen Sagenwelt (im prov. Girart de Rossilhon),
auf diesem Gebiete keine zweite Schilderung hoher Minne von solcher Innigkeit
und Naturfrische, wie die von Jourdains und Oriabel; namentlich in der Schwert-
leite, der Trennung und dem Wiedersehen.
Dass die beiden Stoffe, die Sage von Amis und von Jourdains, enge mit
einander verbunden wurden, erklärt Herr Hofmann aus der Gleichartigkeit des
Inhalts beider. Beides, sagt er, sind Lieder von Liebe und Treue, dort die
Treue zweier Waffenbrüder, die das Leben für einander opfern, die Liebe der
Kaiserstochter, die für den armen unbekannten Ritter in unwiderstehlicher Lei-
denschaft entbrennt, hier die Treue des alten Renier gegen seinen jungen Ge-
bieter, für dessen Rettung er den eigenen Sohn dem Mörder Froinont preisgibt,
die Liebe der Königstochter zum fremden Knappen, der halb nackt an ihres
Vaters Hof gekommen. Hardne hat sein Gegenstück in Fromont und selbst die
beiden Leibeigenen des Amis in denen Fromonts. Endlich der gleiche Ausgang.
Treue und Liebe siegen und die Verräther werden zu Schanden.
An ausgedehnter Verbreitung kommt die Sage von Jourdains der von Amis
nicht gleich. Äusser dem, wohl aus einer jüngeren Bearbeitung geflossenen,
französischen Prosaromane ist kaum etwas weiteres zu nennen. Wohl aber zeigt
die äusserst seltene spanische Historia del rey Canamor y del infante Turian su
hijo in einigen Kapiteln so auffallende Uebereinslimmung mit dem französischen
Gedichte, dass man es Herrn Hofmann sehr Dank wissen muss, dass er im An-
hänge den lühalt derselben nach dem Exemplare der Münchener Hof- und Staats-
bibliothek wiedergibt.
Dass aus diesem Romane dann später die Romanze del infante Turian y
de la infanta Floreta hervorgegangen, hat schon Ferdinand Wolf nachgewiesen.
XVL, Jahrg. 5, Doppelheft. 59
 
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