736 Hollinger: Hans Conrad Escher von der Linth.
sind lehrreich und anziehend, jedoch etwas zu weit ausgesponnen. Heim-
gekehrt, verheirathet und bei der freien Musse eines kaufmännischen Gross-
geschäfts den philosophisch - naturwissenschaftlichen Studien, insonderheit
der Geologie durch Theorie und praktische Alpenreisen (js. 1792) hin-
gegeben, ·— so vorbereitet, entwickelte Escher in einem Aufsatz: „über
einige Bergt h hier der östlichen Schweiz“ 1797 Qiicht 1 796)
der Zeitschrift Humaniora gleichsam vorweg den Plan seines spätem, be-
rühmten Linth unternehmens (jS. 103). Die Quellen des Uebels
und die Hülfsmittel dawider werden klar nachgewiesen, die Obrigkeiten
und Patrioten aufgefordert, den durch Gewohnheit und schlechte Erziehung
verdumpften, geistig und leiblich abgezehrten Bewohnern rettend beizu-
springen, da sie sich selber nicht helfen könnten. Denn häusliche Roheit
und elender Schulunterricht hätten den Keim eigener Denkkraft erstickt,
blindes Zutrauen in den Schlendrian der Väter tief eingeprägt, ja, selbst
dem zu frühen Religionsunterricht die Pforten schädlicher Rück-
wirkung geöffnet. Derselbe gebiete nämlich in einem noch zarten, un-
zurechnungsfähigen Alter den unbedingtesten Glauben an die oft unbe-
greiflichsten Glaubensdogmen unter beständigem Andräuen ewiger Höllen-
strafen und fordere sogar in reifem Jahren immer mehr die rücksichtslose
Aufnahme dogmatischer Sätze als der üeberzeugung von der allgemeinen
Verbindlichkeit der moralischen Pflichten. Es sei daher kein Wunder,
wenn endlich alles eigene Nachdenken ausgehe, die blindeste, hartnäckigste
Anhänglichkeit an bisherige Uebungen festwurzele und besonders im Wal-
lenstadterthal bei den Bewohnern in Händeln und Processsucht, Quelle
neuen Verderbens, auftauche. Der ganze Aufsatz, von welchem hier
einzelne, in der Biographie übergangene Stellen absichtlich ausgeho-
ben wurden, enthält mit einem Wort den Keim praktisch-technischer
Lebenspliiiosophie. Diese bekam nun weiten und tief eingreifenden Spiel-
raum während der erschütternden Krisis, welche unter dem Namen der
Helvetik, Helvetischer Revolution, den Kampf zwischen der alten und
neuen Schweiz im ersten, entscheidenden Stadium herbeiführte. Bündig
und treffend drückt der kundige Verfasser den Gehalt dieser oft zu scharf
beurtbeilten, höchst verflochtenen und schwierigen Dinge so aus: „Die
Anschauungsweise, die Regierungsmaximen, die Staatseinrichtungen vorüber-
gegangener Jahrhunderte passten nur noch theilweise für die fortgeschrit-
tene Zeit, für diese indessen hatte man versäumt, die Menschen zu bil-
den. Die Zeit behält aber immer Recht; denn aus ihr spricht die Stimme
Gottes und menschliche Gewohnheitsliebe, Bequemlichkeit oder Vorurtheil
versuchen den Kampf gegen dieselbe umsonst“ (S. 109).
(Schluss folgt.)
sind lehrreich und anziehend, jedoch etwas zu weit ausgesponnen. Heim-
gekehrt, verheirathet und bei der freien Musse eines kaufmännischen Gross-
geschäfts den philosophisch - naturwissenschaftlichen Studien, insonderheit
der Geologie durch Theorie und praktische Alpenreisen (js. 1792) hin-
gegeben, ·— so vorbereitet, entwickelte Escher in einem Aufsatz: „über
einige Bergt h hier der östlichen Schweiz“ 1797 Qiicht 1 796)
der Zeitschrift Humaniora gleichsam vorweg den Plan seines spätem, be-
rühmten Linth unternehmens (jS. 103). Die Quellen des Uebels
und die Hülfsmittel dawider werden klar nachgewiesen, die Obrigkeiten
und Patrioten aufgefordert, den durch Gewohnheit und schlechte Erziehung
verdumpften, geistig und leiblich abgezehrten Bewohnern rettend beizu-
springen, da sie sich selber nicht helfen könnten. Denn häusliche Roheit
und elender Schulunterricht hätten den Keim eigener Denkkraft erstickt,
blindes Zutrauen in den Schlendrian der Väter tief eingeprägt, ja, selbst
dem zu frühen Religionsunterricht die Pforten schädlicher Rück-
wirkung geöffnet. Derselbe gebiete nämlich in einem noch zarten, un-
zurechnungsfähigen Alter den unbedingtesten Glauben an die oft unbe-
greiflichsten Glaubensdogmen unter beständigem Andräuen ewiger Höllen-
strafen und fordere sogar in reifem Jahren immer mehr die rücksichtslose
Aufnahme dogmatischer Sätze als der üeberzeugung von der allgemeinen
Verbindlichkeit der moralischen Pflichten. Es sei daher kein Wunder,
wenn endlich alles eigene Nachdenken ausgehe, die blindeste, hartnäckigste
Anhänglichkeit an bisherige Uebungen festwurzele und besonders im Wal-
lenstadterthal bei den Bewohnern in Händeln und Processsucht, Quelle
neuen Verderbens, auftauche. Der ganze Aufsatz, von welchem hier
einzelne, in der Biographie übergangene Stellen absichtlich ausgeho-
ben wurden, enthält mit einem Wort den Keim praktisch-technischer
Lebenspliiiosophie. Diese bekam nun weiten und tief eingreifenden Spiel-
raum während der erschütternden Krisis, welche unter dem Namen der
Helvetik, Helvetischer Revolution, den Kampf zwischen der alten und
neuen Schweiz im ersten, entscheidenden Stadium herbeiführte. Bündig
und treffend drückt der kundige Verfasser den Gehalt dieser oft zu scharf
beurtbeilten, höchst verflochtenen und schwierigen Dinge so aus: „Die
Anschauungsweise, die Regierungsmaximen, die Staatseinrichtungen vorüber-
gegangener Jahrhunderte passten nur noch theilweise für die fortgeschrit-
tene Zeit, für diese indessen hatte man versäumt, die Menschen zu bil-
den. Die Zeit behält aber immer Recht; denn aus ihr spricht die Stimme
Gottes und menschliche Gewohnheitsliebe, Bequemlichkeit oder Vorurtheil
versuchen den Kampf gegen dieselbe umsonst“ (S. 109).
(Schluss folgt.)