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Buttmann: Die deutschen Ortsnamen.

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benennen oder vielmehr zu beschreiben, was zugleich, in der damaligen, an
schriftlichen öder kartographischen Hülfsmittel für die Topographie haaren
Zeit, ein Auskunftsmittel zur Orientirung abgab. So zeigt sich denn auch
hier, wie in dem ganzen Agrar- und Socialwesen der uralten Ackerbauge-
meinden, ein so recht Alles überlegender, planmässig ordnender, also prak-
tischer Verstand. Bei der Einfachheit der damaligen Verkehrsverhältnisse
schadete auch die, aus dem Princip hervorgehende, noch jetzt sich hin und
wieder findende, häufige Wiederholung ein und derselben Beschreibungsaus-
driieke oder Namen wenig. Man verstand es auch , sehr praktisch , der all-
zuhäufigen Wiederholung durch Anwendung synonymer Ausdrücke, z. B. Berg,
Höhe, Schroffheit, Riss, Steilheit u. s. w. für benachbarte, gleichartige Lo-
calitäten auszuweichen, half sich ausserdem gewiss durch Beifügung der Gau-
namen und endlich sorgte für Vermannigfaltigung der Formen das Uebel
selbst, indem es sein eigenes Heilmittel dadurch erzeugte, dass sich verschie-
dene Aussprachen einschlichen und einbürgerten, und dass man sich, wie oben
an Dobruska und Blsstanin nachgewiesen ist, zweier synonymer Beschreibungs-
ausdrücke (Doppelnamen), für eine und dieselbe Oertlichkeit bediente, Diess
findet sich sehr häufig. Schliesslich darf man nicht nnerwogen lassen, dass
in einem Terrain, welches im Allgemeinen flach ist, kleine Anhöhen und
Hänge, welche sich nur etwas bemerkbar machen, hier denselben Beschreibungs-
werth hatten, wie in gebirgigen Landschaften die ansehnlichen Vorragungen.
Soll ich noch auf einen wesentlichen Fehler des Verf. aufmerksam ma-
chen, so besteht derselbe darin, dass er den Wortschatz des Lexikons seinen
Formen nach viel zu determinirt auf die Etymologie der, oft ganz unglaub-
lich corrumpirten Formen der Ortsnamen anwendet. Diese Gefahr erkannte
ich, Gott sei Dank’ sehr bald nach Beginn meiner eigenen Studien; zugleich,
dass ich einerseits die Ortsnamen, sowohl hinsichtlich ihrer Formen unter sich,
als der gemeinschaftlichen Lage der entsprechenden Dörfer, dann aber gleich-
zeitig den Wortschatz des Lexikons, sowohl hinsichtlich der Laute, als der
Bedeutung, mit dem Namenschatze der topographischen Register und der
Landkarten unter steter Berücksichtigung der Ortslage vergleichen müsse. So
erschloss mir allmälig das Lexikon die Etymologie der Ortsnammen und um-
gekehrt das Ortsnamenregister die Etymologie des Lexikons. Nur als grossen
Vortheil kann ich es bezeichnen, dass mir damals das böhmische Lexikon voll-
ständig böhmische Dörfer enthielt, dass ich noch nichts vom Slavischen ver-
stand; dass ich also nicht mit gelehrten Schulvorurtheilen zu der Sache kam,
sondern auf dem Wege der eigentlichen Originalität, und mit dem Interesse,
welches jeder kleine Fortschritt hier doppelt erhöht. Der vorzüglichste Ge-
winn solchen Verfahrens ist, dass man hinsichtlich der Bedeutungslehre zu
weit einheitlicheren Resultaten kommt und zugleich auf selbstständigem
Wege in den neckischen Einfluss des Spieles der Laute eingeführt wird.
Leipzig. Victor Jacobi, Prof,
 
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