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Nr. 53. HEIDELBERGER 1857.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR

Picchioni: Del senso allegorico della Divina Commedia.

(Schluss.)
Des Ref. Meinung ging allerdings auch nicht dahin, dass ein
Kaiser dse Kirche von ihren Flecken reinigen könne, und Herr
Picchioni hat mit Recht gerügt, dass dieser Ausdruck nicht ange-
messen war, indem er einen falschen Sinn unterstellte. Ref. wollte
die Stelle so erklären, dass die Päpste selbst durch die zwei ange-
gebenen Umstände aus ihrer Kirche und deren Amt und Beruf
herausgetreten waren, und dass ein mit Weisheit und Macht ausge-
rüsteter Kaiser dadurch, dass er die Päpste aus dem ganzen welt-
lichen Gebiet verjagte, ihnen alle weltliche Herrschaft und alle Mit -
tel zur Befriedigung der Habsucht raubte, eine Besserung und Rei-
nigung der Kirche veranlasste. Der Verf., der seine Gründe mit
Belesenheit vertheidigt, will aber von einem Kaiser nichts wissen,
und bleibt, wie in seinem frühem Werk, bei der Ansicht Kopisch’s,
dass der Retter Niemand anders sei, als ein armer und niedrigge-
borner, aber mit Weisheit, Liebe und Tugend ausgerüsteter Papst,
der freiwillig die weltliche Herrschaft aufgeben, die reine christliche
Lehre wiederherstellen und die Habsucht, die Wurzel alles Uebels,
verjagen werde. Der Verf. fügt diesem Kapitel freilich hinzu: „Es
sind nun fünf Jahrhunderte und mehr vergangen, und noch lassen
sich keine Vorzeichen sehen, dass irgend ein Gottgesandter die
Dante’sche Prophezeiung bewahrheiten werde. Aber wer kann be-
haupten, dass die zeitliche Herrschaft der Päpste sich noch einmal
fünf Jahrhunderte erhalten werde? Scheint es nicht vielmehr, dass
das Volk (volgo) anfange den in der Kapuzze gewisser Prediger
eingenisteten Vogel zu erkennen (Parad. XXIX, 118), und dass
dieses endlich die Päpste, wenn auch nicht freiwillig doch aus klu-
ger Vorsicht, zu dem bringen könne, was Dante zur irdischen und
ewigen Seligkeit nöthig erachtete, nämlich sich in den Gränzen ihrer
geistigen Suprematie zu begnügen und die Kirche zu ihrer ursprüng-
lichen Reinheit zurückzuführen ?Ä Wenn überhaupt eine solche äussere
Nötbigung für die Kirche vorauszusetzen ist, so möchte sie wohl
Dante gewiss eher von einem gottgesandten Kaiser, der allein das
Gleichgewicht in der Welt herstellen konnte, als von dem Volk er-
wartet haben.
Die Auslegungen der Allegorien werden sich noch viele Jahre
in die verschiedensten Meinungen aus einander spalten, aber jede
mit Ernst durchgeführte Arbeit wie die des Verf. wird ein will-
kommner Beitrag zu der ansehnlichen Litteratur über Dante sein,
L. Jahrg. 11. Heft. 53
 
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