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Nr. 46.

HEIDELBERGER

1857.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR

Das Nibelungenlied in der ältesten Gestalt mit den Verände-
rungen des gemeinen Textes, herausgegeben und mit einem Wör-
terbuch versehen v. A. Holtzmann. Stuttgart bei Metzler 1857.
Es ist zwar in diesen Jahrbüchern noch nicht von meinen
Untersuchungen über das Nibelungenlied (Stuttgart bei Krabbe 1854)
und von den zahlreichen, zum Theil sehr heftigen Streitschriften,
welche dadurch veranlasst wurden, die Rede gewesen, ich kann
aber wohl als bekannt voraussetzen, dass es sich zunächst um den
Werth und die Abstammung der verschiedenen Texte und Hand-
schriften des Gedichtes handelte. Lachmann hatte die kürzere Münch-
ner Handschrift A seiner Ausgabe zu Grund gelegt; nach ihm ent-
hält diese allein den alten Text, aus dem alle andern durch Erwei-
terung und Umarbeitung geflossen sind, und zwar zunächst der ge-
meine Text N, welcher dann noch einmal in der Lassberg’schen
Handschrift C, die also den abgeleitetsten jüngsten Text enthält,
verändert und erweitert wurde. Ich suchte nachzuweisen, dass der
Weg, den die Geschichte des Textes durchlief, gerade der umge-
kehrte sei; C gebe den echtesten und ältesten Text; aus ihm sei
der gemeine, und aus dem gemeinen erst der Text von A geflossen.
Der Streit kann nicht anders als mit Anführung von Beispielen
geführt werden. Es muss aber immer der Verdacht entstehen, dass
jede Partei die Auswahl der Beispiele in ihrem Interesse mache,
und eine endgültige Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn
nicht einzelne Beispiele ausgehoben, sondern die verschiedenen Texte
vollständig einander gegenüber gestellt werden. Diess ist es nun,
was meine neue Ausgabe des Gedichtes leisten soll. Zugleich wollte
ich das neu gewonnene kritische Material, das in meinen Händen
war, zum Gemeingut machen. Natürlich musste es auch mein Be-
streben sein, den Text selbst möglichst von Fehlern zu reinigen
und der ursprünglichen Gestalt so nahe zu bringen, als die vorhan-
denen Mittel erlauben. Doch musste ich mich in letzter Beziehung
vorerst innerhalb des Bereiches der Handschriften der Klasse C
halten, und durfte den gemeinen Text nur zur Verbesserung offen-
barer Fehler benutzen, und nicht ohne durch den Druck die Ent-
lehnung anzuzeigen. Denn einmal war es ja der Zweck der gan-
zen Ausgabe, den gemeinen Text im Ganzen mit dem alten Text
zu vergleichen, und sodann sind uns noch zwei Handschriften, die
wahrscheinlich für C von grosser Wichtigkeit sind, unbekannt ge-
blieben. Ich hoffte, dass die neue Ausgabe den Streit über die
verschiedenen Texte zur Entscheidung bringen, und für Vorlesun-
gen und für Jeden, der sich des Gedichtes freuen möchte, erwünscht
L. Jahrg. 10. Heft. 4$
 
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