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722 Das Nibelungenlied, v. A. Holtzmann.
sein würde. Es hat nun aber Herr Zarncke im Centralblatt 37 ge-
funden, dass die Wünsche und Hoffnungen der Fachgenossen sehr
enttäuscht seien, und zwar weil ich nicht einen vollständigen kriti-
schen Apparat, sondern nur eine Auswahl von Varianten gebe. Ich
glaube vielmehr, dass die Fachgenossen mir es durchaus nicht ver-
übeln, dass ich nicht die Lesarten aller Handschriften aufgenommen
habe; denn diess wäre ohne allen denkbaren Nutzen gewesen und
hätte die Ausgabe vom Gebrauch bei Vorlesungen ausgeschlossen.
Dass ich aber nur eine Auswahl von Varianten gebe, ist sehr un-
richtig ausgedrückt. Ich gebe die Lesarten der Handschriften des
alten Textes ganz vollständig, und ebenso den Text von A ohne
alle Auswahl ganz vollständig. Dagegen habe ich von den zahl-
reichen Handschriften des gemeinen Textes nicht alle Lesarten auf-
genommen, und ich denke, dass die Fachgenossen damit einverstan-
den sind. Die meisten dieser Lesarten sind ohne allen Werth; es
genügt, dass sie einmal verzeichnet sind, und das ist bei Lachmann
geschehen; ich habe aber meinem Buche absichtlich eine solche
Einrichtung gegeben, dass die Anmerkungen Lachmann’s sich leicht
zu demselben benutzen lassen. Es konnte sich nur darum handeln,
einmal alles aufzunehmen, was möglicher Weise das echte sein kann,
und sodann nichts zu übergehen, was die allmählige Veränderung
des Textes von C zu A kennen lehrt. Prüft man meine Auswahl
von diesem Gesichtspunct aus, so wird man, denke ich, zufrieden
sein, und dass ich mirs bequem gemacht habe, wird äusser Herrn
Zarncke schwerlich Jemand entdecken. Ich kann es überdiess mit
meinen Begriffen von Recht und Eigenthum nicht vereinigen, dass
ich die Arbeit eines andern geradezu mir aneignen, also den ganzen
von Lachmann gesammelten Apparat aufnehmen dürfte. Dass ich
die von Lachmann unter seinem Text gegebenen Lesarten nicht
übergehen durfte, versteht sich doch wohl von selbst. Meine Geg-
ner wären sonst sogleich bereit gewesen, mich zu beschuldigen,
dass ich mir einen für meinen Zweck dienlichen gemeinen Text zu
recht gemacht habe. Dass ich aber viel mehr gebe, als den Lach-
mann’schen gemeinen Text, ist wahrscheinlich eine Folge meiner
von Zarncke entdeckten Bequemlichkeit. Uebrigens müssen die Le-
ser jener Anzeige des Centralblatts im Auge behalten, dass Herr
Zarncke mir nicht nur mit einer kleinern Ausgabe zuvorgekommen
ist, sondern auch im Centralblatt, 1856 N. 51 bereits eine grössere
in Aussicht gestellt hat. Bei ihm war es also eine zum Voraus
beschlossene Sache, meine Ausgabe ungenügend zu finden.
Es war vor Allem mein Bemühen, den Codex C, die wichtigste,
oft einzige Urkunde des alten Textes, mit der Ausgabe Lassberg’s
zu vergleichen. Leider konnte der Codex bei dem üebergang der
Bibliothek in die Hand des neuen Besitzers nicht sogleich versandt
werden, und eine huldvolle Einladung, die Arbeit auf dem reizenden
Schloss Heiligenberg vorzunehmen, traf mich zu spät. Ich war
aber so glücklich, einen genügenden Ersatz zu erhalten in einem
 
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