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Nr. 33. HEIDELBERGER 1858.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Histoire du Comte de Gruyere precedee d’une introduction par
J. J. Hisely. Tome II. Lausanne. Bridel 1857. 8. 564.
Es bleibt sicherlich eine merkwürdige und in ihrer Art einzige
Erscheinung, wenn sich Hirten, Ackerbauer und Bürger unter dem
feudal-monarchischen Herrscherstabe erblicher Grafen locker und
doch stark genug für ihr Bediirfniss verbunden, über sechs Jahrhun-
derte lang (900—1554) als unabhängige Staatsgenossen behaupten.
Das Ländchen Greyers (la Gruybre) bietet diesen für den Histo-
riker und Rechtsgelehrten vielfach unterrichtenden Fall; von Ale-
manniern und Burgundischen Romanen oder Teutschen und Wäl-
schen besetzt und mühsam urbar gemacht, dem Feldbau, insonder-
heit der Viehzucht geöffnet, dehnte sich der zwar rauhe, aber ge-
sunde und romantisch schöne Gebirgsstrich mit seinen düstern Wal-
dungen, fetten Triften und fruchtbaren Thalgründen südlich vom
Wallis begränzenden Sanetsch bis nördlich etliche Stunden von
Freiburg aus, während westlich die Gränzen die Nähe Romonts
und östlich das Simmenthal der Bernischen Hochalpen trafen. Der
Saanefluss (Ja Sarine) durchströmte das auf beiden Ufern, oft
in bedeutenden Zwischenräumen, sich ablagernde Gebiet und der
Bocken oder Bokten, ein enger Gebirgspass, theilte mit den
Tineflüsschen seit unvordenklichen Tagen das Hoch- und Nieder-
land, Ober- und Untergreyers; zu jenem gehörten die spätem, süd-
lich gelegenen Vogteien Berns, Oron und Saanen, zu diesem der
Hauptort Greyers und was sich ihm bis hart an die Marken der
Stadt Freiburg anlehnt.
Die Geschichte dieses kleinen Völker- und Staatencomplexes,
welcher die Grafschaft Greyers hiess, ruhet theils auf geschriebenen
Gesetzen und Ueberlieferungen, theils auf Gewohnheitsrechten (cou-
tumes), Bräuchen und Sitten. Jene, zerstreut in den verschiedenen
Archiven, Chroniken und Sammlungen, aufzusuchen und zu ordnen,
diese, die mündlichen Quellen, in Druck- und Handschriften, in
noch lebendigen Zügen des Gemeinde- Haus- und Volkswesens auf-
zuspüren, ist die schwierige, oft sehr peinliche, immerhin aber be-
lohnende Pflicht und Arbeit des Historikers. Wie der Verfasser,
bei dem Untergang der Jahrhunderte lang blühenden Dynastie nur
auf das Interesse der Thatsachen und ihrer Motive angewiesen,
ohne Aussicht auf glänzende Gemälde des Kriegs und des Friedens,
ohne Gönnerschaft der Fürsten und republikanischen Parteien, sich
aus reger Theilnahme an wissenschaftlichen Dingen dem verwickel-
ten, scheinbar oft kleinfügigen Unternehmen hingab, dafür Jahre
lang umfassende Studien machte, den Plan auf eine gründliche Ein-
LI. Jahrg. 7. Heft. 33
 
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