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Nr. 37,

HEIDELBERGER

1858.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Album des literarischen Vereins in Bern.

(Schluss.)
Besonders anziehende Abhandlungen sind die über die An-
sichten der Völker von der Seele von Dr. Heinrich
Wuttke, Professor der Geschichte in Leipzig (S. 141 —163),
und über den geistigen Zustand eines noch nicht unter-
richteten Taubstummen von U. K. Schöttle in Bern (S.
166—178). Wichtige Beiträge liefert der Aufsatz zur Charak-
teristik des bernischen Dialekts von Fried. Zyro, Pro-
fessor, derzeit. Pfarrer in Kappelen bei Bern (S. 247—252).
Leider enthält dieser Aufsatz nur Proben einer grossem Schrift des
Verfassers, da der Raum des Albums die ganze Mittheilung nicht
gestattete. Der Herr Verf. will den Charakter des Volkes durch
seine Sprache schildern, und macht zu diesem Zwecke auf die Ver-
kehrsformeln, Betheuerungen und Sprichwörter aufmerksam.
Was die Verkehrsformeln betrifft, führt er die verschiedenen
Grussformeln und die Formeln beim Anreden in der Bernischen
Mundart an. Unter den Betheuerungen werden Redensarten bei Ver-
sicherungen, bei Verwunderung, beim Schrecken und Verwünschun-
gen angeführt. Am wichtigsten sind die Sprichwörter, weil wir am
deutlichsten den Geist eines Volkes aus dieser „Weisheit von der
Gasse“ erkennen. Von S. 248—250 werden 115 schweizerische
Sprichwörter in Bernischer Mundart angeführt, von denen die mei-
sten in Deutschland nicht gebräuchlich sind, wiewohl auch unter
denselben deutsche Sprichwörter vorkommen. Wir zählen hieher
die Sprichwörter: „Berg und Thal chöma nid zsäma, aber d’Lüüt“,
„ajunga Rüütr, a n’alta Fuesgängr“, „d’Liebi mues zanggat hah“,
„gschida Lüiita uisch gftat brediga“ u. s. w. Von den originellen,
die Denkweise des Volksstammes zeichnenden Sprichwörtern führen
wir an: „We’ uina tannegi Hösli hett u hagebuechig Strümpf, su
ma n’r tanze, wie n’r wil, ’s git ihm keni Rümpf“, „d’s Brieg’geli
u d’s Lächcheli si gärn i eim Chächcheli“, „Mist geit über List“,
„wär d’s lüga so schwär, wia d’s Stei träga, ’s würd no mänga d’
Warheit säga“, „was grob isch, isch o starch“, „we Urbunst und
Misgunst brönti, wie ds Füür, so wäri d’s Holz nid halb so tüür“,
„sälbr witzige Hüenar lega n’öppa ninisch i d’Nessla“, „wo d’s
Chloster ’s Stiicki Land het, het d’r Tüüfl d’r Fluäg drin“, „a ver-
zagte Möntsch isch im Himmel nid sicher“, „drück löscht o Füür“,
LI. Jahrg. 8. Heft. 37
 
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