HeIfferichl: Don Carlos von Spanien.
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ime auch nit zu vill gewalt geben; so ist der printz feintlich frej
mit reden vnd passieret sein vatern auch nit alles.“ Dann heisst
es in dem Aufsatze weiter: „Sein (des Prinzen) Hass traf zunächst
den König und dessen Minister, wogegen er sich in ebenso unzwei-
deutiger als eigenthiimlicher Weise zu allen denen hingezogen fühlte,
die wie die Königin und Don Juan gleichfalls in den öffentlichen
Angelegenheiten nichts zu sagen hatten, obschon sie ihrer Ge-
burt und Stellung nach hätten mitrathen und mitthaten (?)
sollen.“ Da der Verfasser in dieser Exposition den Vater tadelt,
dass er seinem ungesitteten, unwissenden und närrischen Sohne Macht
und Gewalt über die Unterthanen vorenthielt, so fragen wir ihn,
welches Urtheil er über Philipp gefällt haben würde, wenn dieser
gerade nur von den Rücksichten für Geburt und Stellung geleitet,
dem Prinzen Herrschaft und Gewalt eingeräumt, dieser aber sie miss-
braucht hätte? Gewiss würde er in diesem Falle noch schärferen
Tadel über ihn ausgegossen haben, ein Beweis, dass es ihm unter
allen Umständen eben nur um diesen zu thun ist. In der Herraths-
Verzögerung erkennt er nur „Ausflüchte“ und „Winkelzüge“ des
Vaters, und hinsichtlich der Inquisition findet er heraus, „dass man
Philipp durchaus falsch beurtheilen würde, wenn man seiner Will-
fährigkeit gegen die klerikalen Mordbefehle ein anderes Motiv als
blutgierige Selbstsucht unterstellte. Also war Philipp nicht
einmal ein Fanatiker, sondern ein gemeiner Wiithrich. Von den des
Prinzen Gefangensetzung meldenden Schreiben an Auswärtige, ist
bemerkt: All die zahlreichen Briefe des Königs, die auf den kläg-
lichen Vorfall Bezug haben, sind in demselben gekünstelten Styl ab-
gefasst, und ich habe absichtlich die zum Erstaunen verschrobene
und verdrehte Satzbildung ziemlich so wiedergegeben, weil der Le-
ser wie mich dünkt, so den richtigsten Einblick in die innersten
Falten dieser Tyrannenseele thun kann.“ Solche psycho-
logische Enthüllungen sind an dem geschraubten Kanzeleistyle und
der fehlerhaften Satzbildung des 16. Jahrhunderts allerdings noch
nicht gemacht worden, nur ist dabei die Kleinigkeit zu bemerken,
dass keinesweges alle Schreiben eigenhändige des Königs waren,
sondern viele aus dem Concepte seiner Secretäre flössen. Wir ken-
nen ein von dem gedachten Vorfälle handelndes deutsches, welches
vom Könige, der kein Deutsch verstand, gar nicht herrühren kann,
sondern seines deutschen Secretärs Pfinzings Hand sein wird. Zu
obigem noch die Zugabe: „Bei einer beträchtlichen Anzahl Brief-
schaften, die ihren Ursprung in dem Cabinete Philipps hatten, ist
mir nichts so sehr aufgefallen, als die regelmässige Wiederkehr des
Wortes „disimulacion“, was zwar bloss Verheimlichung bedeutet,
aber selbst in dieser Bedeutung ein grelles Licht auf die verstel-
lungssüchtige, unaufrichtige und lauernde Politik des
bis zur empörendsten Grausamkeit berechnenden Mo-
narchen wirft.“ Wenn Richelieu äusserte, er brauche von Einem
nur vier Zeilen um ihn an den Galgen zu bringen, so ist das nichts
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ime auch nit zu vill gewalt geben; so ist der printz feintlich frej
mit reden vnd passieret sein vatern auch nit alles.“ Dann heisst
es in dem Aufsatze weiter: „Sein (des Prinzen) Hass traf zunächst
den König und dessen Minister, wogegen er sich in ebenso unzwei-
deutiger als eigenthiimlicher Weise zu allen denen hingezogen fühlte,
die wie die Königin und Don Juan gleichfalls in den öffentlichen
Angelegenheiten nichts zu sagen hatten, obschon sie ihrer Ge-
burt und Stellung nach hätten mitrathen und mitthaten (?)
sollen.“ Da der Verfasser in dieser Exposition den Vater tadelt,
dass er seinem ungesitteten, unwissenden und närrischen Sohne Macht
und Gewalt über die Unterthanen vorenthielt, so fragen wir ihn,
welches Urtheil er über Philipp gefällt haben würde, wenn dieser
gerade nur von den Rücksichten für Geburt und Stellung geleitet,
dem Prinzen Herrschaft und Gewalt eingeräumt, dieser aber sie miss-
braucht hätte? Gewiss würde er in diesem Falle noch schärferen
Tadel über ihn ausgegossen haben, ein Beweis, dass es ihm unter
allen Umständen eben nur um diesen zu thun ist. In der Herraths-
Verzögerung erkennt er nur „Ausflüchte“ und „Winkelzüge“ des
Vaters, und hinsichtlich der Inquisition findet er heraus, „dass man
Philipp durchaus falsch beurtheilen würde, wenn man seiner Will-
fährigkeit gegen die klerikalen Mordbefehle ein anderes Motiv als
blutgierige Selbstsucht unterstellte. Also war Philipp nicht
einmal ein Fanatiker, sondern ein gemeiner Wiithrich. Von den des
Prinzen Gefangensetzung meldenden Schreiben an Auswärtige, ist
bemerkt: All die zahlreichen Briefe des Königs, die auf den kläg-
lichen Vorfall Bezug haben, sind in demselben gekünstelten Styl ab-
gefasst, und ich habe absichtlich die zum Erstaunen verschrobene
und verdrehte Satzbildung ziemlich so wiedergegeben, weil der Le-
ser wie mich dünkt, so den richtigsten Einblick in die innersten
Falten dieser Tyrannenseele thun kann.“ Solche psycho-
logische Enthüllungen sind an dem geschraubten Kanzeleistyle und
der fehlerhaften Satzbildung des 16. Jahrhunderts allerdings noch
nicht gemacht worden, nur ist dabei die Kleinigkeit zu bemerken,
dass keinesweges alle Schreiben eigenhändige des Königs waren,
sondern viele aus dem Concepte seiner Secretäre flössen. Wir ken-
nen ein von dem gedachten Vorfälle handelndes deutsches, welches
vom Könige, der kein Deutsch verstand, gar nicht herrühren kann,
sondern seines deutschen Secretärs Pfinzings Hand sein wird. Zu
obigem noch die Zugabe: „Bei einer beträchtlichen Anzahl Brief-
schaften, die ihren Ursprung in dem Cabinete Philipps hatten, ist
mir nichts so sehr aufgefallen, als die regelmässige Wiederkehr des
Wortes „disimulacion“, was zwar bloss Verheimlichung bedeutet,
aber selbst in dieser Bedeutung ein grelles Licht auf die verstel-
lungssüchtige, unaufrichtige und lauernde Politik des
bis zur empörendsten Grausamkeit berechnenden Mo-
narchen wirft.“ Wenn Richelieu äusserte, er brauche von Einem
nur vier Zeilen um ihn an den Galgen zu bringen, so ist das nichts