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Weber: Weltgeschichte, Bd. IV.

Bildung erfasst. Ohne sie gleicht der Mensch einem Thiere, wel-
ches das zweideutige Vorrecht der Vernunft besitzt, „noch thieri-
scher, als das Thier, zu sein.“ Er fragt, wie dieses, nicht, woher er
kommt und wohin er geht. Die Geschichte allein weist ihn auf
seinen Ursprung, auf seine Stellung zur Jetztzeit und auf seine
Bestimmung für die Zukunft zurück. Dem geschichtlichen Bedürf-
nisse unseres Volkes entspricht in unserer Zeit auch ganz die ge-
schichtliche Arbeit. Nicht nur selbstständige mühsame Forschungen
über grössere oder kleinere Theile der Geschichte aus zum Theile
bis jetzt unbekannt gebliebenen handschriftlichen Quellen, Quellen-
sammlungen, kritische Untersuchungen vorhandener Quellen, sondern
so recht eigentlich für das Volk geschriebene, kleinere und
grössere Werke erscheinen. Man hat dabei jenes vage und nur die
Form wechselnde, geschichtliche Compendienschreiben vergangener
Zeit oder die Kunst, aus zwanzig Auszügen einen neuen zu machen,
immer mehr auf die Seite geschoben. Das Allgemeine glaubt man
jetzt mit Fug und Recht nicht anders schildern zu können, als
auf dem Wege, auf welchem es allein als ein richtiges allgemeines
Bild vergangener Zustände erscheinen kann, auf dem Boden des
richtig erkannten Einzelnen und Besonderen. In keiner Zeit haben
sich die Forschungen mehr auf sondergeschichtliche Gegenstände
erstreckt, als in der unsrigen. Die Einzel- und Sondergeschichten
müssen uns den wahren Stoff zur allgemeinen Geschichte liefern,
die sich nicht in allgemeinen Redensarten, sondern in der richti-
gen Zusammenfassung der Thatsachen bewegt.
Unter allen geschichtlichen Werken, welche für die gebilde-
ten Stände des deutschen Volkes bestimmt sind, verdient das vor-
liegende die grösste Empfehlung. Weder das Beckerische
Werk, dessen achte Auflage erschienen ist, noch die Ditt-
m arische Weltgeschichte, von welcher ebenfalls eine neue Auf-
lage ausgegeben wurde, haben die Vorzüge des vorliegenden Buches.
Nicht die Unterhaltung allein, nicht ein bestimmter pädagogischer
Zweck und darum die Bestimmung für einen gewissen Kreis von
Lesern schwebt diesem Werke als Ziel vor. Es ist für alle ge-
schrieben, die auf Bildung Anspruch machen. Es macht die Ge-
schichte weder zu einem Romane, noch zu einem Schulbuche und
so genannten Erziehungsmittel. Unparteiisch stellt es den Ent-
wickelungsgang der Menschheit im Laufe der Zeit dar und der
Leser ist, sich sein Urtheil aus den Begebenheiten selbst zu bilden,
im Stande. In der Verarbeitung neuerer geschichtlicher Forschun-
gen und in der Benutznng der Fachwissenschaftlichen Einzelschriften,
ohne welche man die Geschichte nicht auf dem wissenschaftlichen
Höhenpunkte der Zeit kennen lernt, stehen Beckers und Ditt-
mars Werk zurück. Auch hat Webers Buch den Vorzug, dass
es aus e i n e r Feder geflossen ist und ein gleich lebenvolles Bild von
der Entwickelung der Staaten und staatlicher und gesellschaftlicher
Zustände, wie von dem Werden der Religion, Kirche, Wissenschaft,
 
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